Urlaub auf Jamaika Wo Marihuana-Plantagen zur Touristenattraktion werden

Nine Mile/Jamaika · Während in anderen Weltgegenden Weinproben oder Führungen durch Destillerien angesagt sind, wuchern manche Bauern auf Jamaika bei Besuchern mit einem anderen Pfund: Touristen können ihre Marihuana- Plantagen besichtigen und dabei gleich die eine oder andere Sorte probieren.

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Foto: dpa, obe fpt hjb lre

Auf vielen Weingütern weltweit können Besucher edle Tropfen verkosten, und in Schottland probieren viele Reisende in Destillerien den dort produzierten Whisky. In Jamaika bieten Bauern einen Erlebnistrip für eine andere Art von Genießern an: Touren zu den verborgenen Marihuana-Plantagen des Inselstaats. Dabei können Touristen Sorten wie "Purple Kush" oder "Pineapple Skunk" probieren.

Die im Prinzip illegalen Touren führen durch Orte wie Nine Mile, das Heimatdorf der verstorbenen Reggae-Legende Bob Marley, einem passionierten Grasraucher. Hier, in den Bergen im Landesinneren, begleiten Männer mit Rastalocken neugierige Besucher zu einem Bauernhof, wo tiefgrüne Marihuana-Pflanzen auf dem rötlichen Boden wachsen. Ähnliche Exkursionen werden nahe dem westlichen Badeort Negril angeboten, seit Jahrzehnten Ziel westlicher Cannabis-Liebhaber.

"Dies hier ist Sinsemilla, Bob Marleys Lieblingssorte. Und das hier ist Chocolate Skunk, das mögen Frauen besonders gern", sagt ein Pot-Farmer mit Spitznamen "Breezy" bei einer Führung über seine Anbauflächen.

Kiffen ist auf Jamaika illegal

Während Befürworter einer Legalisierung weicher Drogen in US- Staaten wie Colorado und Washington in den vergangenen Monaten größere Erfolge errungen haben und die Regierung von Uruguay sogar selbst ins Marihuana-Geschäft einsteigen will, ist die Pflanze in Jamaika noch immer illegal. Manche würden das gerne ändern und argumentieren, dass der außer für Strände, Reggae-Musik und Sprintstars auch für sein Marihuana bekannte Inselstaat in der Karibik wirtschaftlich davon nur profitieren könnte. Justizminister Mark Golding erklärte der Nachrichtenagentur AP, die Regierung beobachte die Legalisierungsbestrebungen in anderen Ländern und werde sich des Themas vor diesem Hintergrund erneut annehmen.

Marihuana - auf der Insel "Ganja" genannt - ist dort seit 1913 verboten, aber dennoch populär. Der illegale Anbau ging wegen weltweiter Konkurrenz und dem von den USA angeführten verstärkten Kampf gegen den Drogenhandel seit den 1970er Jahren zurück. Dennoch kommt der größte Anteil des aus der Karibik in die USA gelieferten Marihuanas aus Jamaika, und Touristen können es auf der Insel praktisch überall kaufen. "Es gibt bereits einen hohen Anteil von Marihuana-Tourismus auf Jamaika, er wird nur nicht so bezeichnet", sagt Chris Simunek, Chefredakteur der in New York erscheinenden Zeitschrift "High Times".

Pot-Farmer Breezy in Nine Mile sagt, Amerikaner, Deutsche und zunehmend auch Russen hätten seine kleine Plantage bereits besucht und von seiner Ernte gekostet. Besucher von Marleys Geburtshaus, die Breezys Tour zum Preis von 50 Dollar (38 Euro) nicht buchen möchten, können alternativ von seinen Freunden angebotene Tütchen mit Gras erstehen. "Zu Hause kann ich stärkeres Zeug kriegen, aber hier in Jamaika Marihuana zu rauchen, hat etwas Besonderes", sagt die 26- jährige Touristin Angie aus dem US-Staat Minnesota.

Der Online-Reiseführer "Jamaicamax" bietet "Ganja"-Touren im Raum Negril an. Wer teilnimmt, muss allerdings zunächst mit dem Reiseleiter einen Joint rauchen - vermutlich um sicherzugehen, dass der Besucher nicht zur Polizei gehört. "Nachdem du mit uns ein Tütchen geraucht hast und wir dich kennengelernt haben, nehmen wir dich mit auf die besten Ganja-Touren in Jamaika, und du wirst so viel Ganja rauchen (und essen, wenn du willst), dass du mit Bob Marley persönlich sprechen wirst", heißt es auf der Webseite.

Jamaika könnte Genesungsort werden

Eine Regierungskommission kam bereits vor mehr als zehn Jahren zu dem Schluss, dass Marihuana auf Jamaika "kulturell verwurzelt" sei und empfahl eine Entkriminalisierung des privaten Konsums durch Erwachsene. Inzwischen fordern einflussreiche Politiker und Geschäftsleute, die Furcht vor einer negativen Reaktion Washingtons abzulegen und die Gesetze zu lockern. Der prominente jamaikanische Wissenschaftler Henry Lowe, der in den 1980er Jahren an der Entwicklung eines Medikaments auf Cannabis-Basis zur Behandlung von Grünem Star beteiligt war, sagt, Jamaika könne rasch zu einem Zentrum des Marihuana-Tourismus und der -Forschung werden. "Die Leute könnten zur medizinischen Marihuana-Behandlung und zum Gesundheitstourismus nach Jamaika kommen, weil das unsere Tradition, unsere Kultur ist."

Lohnsklaven aus Indien sollen die Pflanze im 19. Jahrhundert auf die Insel gebracht haben. Sie wurde rasch als Arzneikraut genutzt, etwa als Tee zur Linderung von Schmerzen oder, in Rum getränkt, gegen Erkältungen. Der Handel wird gegenwärtig von Drogenbanden beherrscht. Eine Legalisierung würde diesen die Grundlage entziehen und Gelder freimachen, die derzeit noch für die Festnahme und Inhaftierung von Pot-Konsumenten verwendet werden, sagen Aktivisten.

Für Breezy und seine Freunde könnten Reformen gar nicht rasch genug kommen. "Die Regierung muss Marihuana schnell freigeben, Mann, denn das ist eine natürliche Sache, eine spirituelle Sache", sagt er und steckt seine Nase genüsslich in einige Pot-Pflanzen. "Und die Touristen lieben es."

(ap)
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