Parade Volle Kraft voraus

Einmal im Jahr lassen sich in Hamburg zahlreicher ehemalige Arbeitsschiffe auf der Elbe erleben: bei einer historischen Parade.

Blue Port Hamburg – die schönsten Bilder des Hafens
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"Das Meer erglänzte hinten und vörn und links und rechts und daneben. Wir saßen von Wogen umbraust auf Schaarhörn und knobelten um das Leben", rezitiert Steuermann Hans Bötticher einen Auszug aus einem Gedicht von Joachim Ringelnatz. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs hatte Bötticher sich freiwillig zur Marine gemeldet, war in verschiedenen norddeutschen Küstenorten stationiert. In Cuxhaven wurde er 1917 auf der "Schaarhörn" zum Leutnant befördert.

Tosende Wellen umspülen das Dampfschiff fast 100 Jahre später nicht, als es vom Anleger Norderelbstraße zu einer Tour elbabwärts bis ins schleswig-holsteinische Wedel aufbricht. Stattdessen glänzen im Hamburger Hafen drei Kreuzfahrtliner im Sonnenlicht. Kapitän Peter Hartmann gibt das Signal zum Ablegen. Die Dampfpfeife ertönt. Der 74-Jährige kennt das kohlebefeuerte Zweischraubenstahlschiff schon aus seiner Kindheit: "Mein Vater war Hafenmeister in Brunsbüttel, wo die Schaarhörn häufig festmachte." Später befuhr Hartmann die Weltmeere auf Stückgutfrachtern und zuletzt auf Containerschiffen. Seit 1998 ist er einer von zirka 200 Mitgliedern des Vereins "Freunde des Dampfschiffs Schaarhörn". Rund 20 Ehrenamtliche sind pro Fahrt an Bord, denn ohne Maschinisten und Heizer könnten die Männer im Ruderhaus nicht viel bewegen. Im Kesselraum schippen Horst Wiesenberg und Karl-Heinz Linke eine halbe Tonne Kohlen pro Stunde. Von der Brücke erhalten sie ihre Anweisungen per Sprachrohrleitung. Sie sind die treibenden Kräfte an Bord.

"In ihren 107 Lebensjahren hat die Schaarhörn nicht nur die Elbe kennengelernt", erzählt Kapitän Hartmann während Hamburgs Wahrzeichen, der "Michel", hinter Glaspalästen entschwindet: Der schmucke Staatsdampfer wurde von Cuxhaven aus zur Seevermessung im Elbmündungsbereich und während des Ersten Weltkriegs als Minensucher eingesetzt. Nach seiner Ausmusterung 1971 fand das Schiff in Schottland eine neue Heimat, wo es nach mehreren Eigentümerwechseln allmählich verrottete. Eine Organisation Altonaer Kaufleute erwarb es schließlich. Per Frachter kam es in die Hansestadt zurück. Um das maritime Erbe Hamburgs zu bewahren, wurde 2001 auf Initiative der Handelskammer die Stiftung Hamburg Maritim gegründet. Hafenanlagen, Kaischuppen, Kräne, Arbeitsgeräte, eine Hafenbahn, Schiffe wie Ewer, Kutter, Schuten, Barkassen, Schlepper, Dampf- und Segelboote sind die Zeitzeugen einer vergangenen Epoche, als im Hafen bis in die 1970er Jahre noch Stückgut umgeschlagen wurde. Diese Schätze zu restaurieren und öffentlich zugänglich zu machen, ist das Ziel der Stiftung.

Damit Hamburger und Hamburg-Besucher alle historischen Schiffe zusammen in Fahrt erleben können, findet seit 2012 einmal im Jahr eine große Parade von rund 50 Traditionsschiffen statt. Dann trötet die "Schaarhörn" mit vielen weiteren alten Schiffen vor dem "Michel" um die Wette.

(RP)
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