20-jährige Deutsche stirbt auf Hawaii Albtraum Hai-Angriff: Stillhalten kann Leben retten

Düsseldorf · Lautlos schieben sich Haie durchs Wasser. In den meisten Fällen sehen Schwimmer, wie die 20-jähirge Urlauberin Jana, sie viel zu spät. Doch was passiert genau bei einem Haiangriff? Und haben Schwimmer überhaupt eine Chance? Analyse einer lebensgefährlichen Situation.

Gerade mal 50 Meter weit ist Jana an der Küste Mauis ins Meer geschwommen, bevor ihr ein Hai den rechten Arm abgebissen hat. Die junge Frau erlag ihren Verletzungen. Wie es genau zu diesem Vorfall gekommen ist, konnte jedoch niemand beobachten. Unsere Redaktion hat mit einem Experten für Haie gesprochen.

"Ich weiß, das klingt schwierig und es ist natürlich tragisch, was Jana passiert ist, aber wir Menschen müssen verstehen, dass eigentlich jeder Haiangriff zu 100 Prozent durch unser eigenes Fehlverhalten ausgelöst wird", sagt Dr. Erich Ritter, Biologe, Lehrer für Haitauchgänge und Experte auf dem Gebiet der Analyse von Haiunfällen und deren Rekonstruktion.

Was der Hai sieht

"Das Problem ist, dass Haie Menschen nicht erkennen können und zugleich sehr neugierig sind", sagt Ritter. Trifft ein Hai dann auf einen Menschen, "versucht er herauszufinden, was das da im Wasser ist - und probiert es." Er greift, was er erwischen kann, einen Arm oder ein Bein, und übt leichten Druck darauf aus, um "das Ding" im Wasser zu testen.

"Zu sehen, wie ein fünf Meter langer, 1000 Kilo schwerer Hai auf den eigenen Arm beißt, löst natürlich extreme Ängste aus. Und genau hier entsteht der Fehler", weiß Ritter. Der Mensch beginnt nun ruckartig die betroffenen Gliedmaßen aus dem Maul des Tieres zu befreien. Der Hai bekommt den Eindruck, dass sich das Tier im Maul wehrt und verstärkt den Druck auf den Kiefer, schwimmt vielleicht sogar los. So kann es dazu kommen, dass Gliedmaßen abgetrennt werden. "80 bis 90 Prozent der Unfälle geschehen so", berichtet Ritter. Vermutlich auch der Unfall von Jana. Der passierte - wie schon zwei Angriffe zuvor - nach einem Sturm. Der Meeresboden war folglich aufgewühlt, so dass die Tiere im Wasser zusätzlich schlechte Sicht hatten.

Eine künstlich geschaffene Bestie

"Wir müssen versuchen die Psyche der Tiere besser zu verstehen", sagt Ritter. Ein Hai ist zwar für viele ein beängstigender Anblick, doch die Raubtiere trachten nicht wirklich danach Menschen anzugreifen. Vielmehr hat der Gruselfilm "Der Weiße Hai" nicht nur als Kassenschlager funktioniert, sondern auch den Ruf einer ganzen Spezies zerstört.

Hielt man es bis in die 1920er Jahre noch für völlig unwahrscheinlich von einem Hai angegriffen zu werden, machte der Film den Hai zu einer blutrünstigen Bestie, die es auf den Menschen abgesehen hat. Die Realität sieht jedoch anders aus. Das zeigen die Zahlen: Von insgesamt 500 Haiarten greifen nur etwa sieben Menschen an.

Und obwohl Haifische meist in Küstenregionen jagen und es rund 100 bis 150 Millionen der Raubtiere in den Weltmeeren gibt, kommt es jedes Jahr nur zu rund 60 bis 100 Angriffen auf Menschen - bis zu sieben davon verlaufen tödlich. Zum Vergleich: Alleine in Deutschland werden jedes Jahr 700 Menschen vom Blitz getroffen, jeder Zehnte davon stirbt.

Was der Mensch sieht

"Natürlich ist es schwer, dem eigenen Gefahreninstinkten entgegen zu wirken, wenn ein fünf Meter langes Tier mit Reißzähnen auf einen zuschwimmt, oder sogar schon einen Arm oder ein Bein im Maul hat." Ritter selbst musste drei Mal gebissen werden, bis er es beim vierten Mal schaffte, nicht spontan wegzuzucken, sondern ruhig zu bleiben. Genau deshalb weiß er: Auch wenn die Angst groß ist, die "Tu-erstmal-nichts"-Methode ist die sicherste. "Wenn der Schwimmer den Hai sieht, sollte er auf keinen Fall wegschwimmen.

Zum einen ist der Hai ohnehin schneller, zum anderen regt er damit nur seine Jagdinstinkte an. Sicherheit und Respekt verschaffen sich Menschen in dieser Situation nur, indem sie reagieren wie es Haie tun würden. "Am besten ist es, den Hai mit starkem Druck wegzuschieben", erklärt Ritter. Dieses Verhalten pflegen die Tiere untereinander, sie verstehen und respektieren es.

Diese "Face-Guide-Push-Move-Methode" funktioniert so gut, dass sich auch die Navy Seals von Ritter darin ausbilden lassen. "Ist die Situation allerdings wirklich lebensgefährlich, hilft nur eines: Man sollte die Kiemen des Tieres angreifen." Eine Stelle, die Haie auch attackieren, wenn sie zu einem tödlichen Angriff ansetzen.

Versagen der Rettungskräfte

Eine weitere Ursache für die dramatischen Folgen in der Begegnung mit Haien sieht Ritter darin, dass auch die Rettungskräfte in der Regel keine Ausbildung im Umgang mit den Raubtieren haben. "Hier in Amerika müssen Rettungsschwimmer nicht einmal ins Wasser, wenn sie glauben, dass dabei ihr eigenes Leben in Gefahr geraten könnte." Das bedeutet auch, dass sie auf Haiangriffe nicht vorbereitet werden und Schwimmer, Surfer und Schnorchler im entsprechenden Fall nicht richtig unterstützen können.

Als Folge wird die Lobby der Haigegener gestärkt, und immer mehr Haie getötet. Rund 90 Prozent der Bestände sind inzwischen zerstört. Die meisten der Tiere, vereenden für die Haifischflossensuppe. Gleichzeitig sind die Reproduktionszyklen der Meeresjäger ähnlich lang wie die des Menschen. "Ein Hai wirft alle vier bis sechs Jahre zwei Junge." Ritters Berechnungen zufolge, wird es somit in etwa fünf Jahren fast keine wilden Haifische mehr geben.

"Angst vor Haien ist keine Urangst"

Damit Menschen lernen mit den Tieren richtig umzugehen, hat Ritter einen Regel- und Übungskanon entwickelt. "Natürlich ist der Hai ein Raubtier, aber man kann seine Absichten verstehen lernen, und dann entsprechend mit ihm umgehen." Wie das geht, bringt er Amateurtauchern in seinen Kursen in der SharkSchool bei. "Denn, wenn man dem Hai zeigen kann, dass man wie er nur gemütlich im Wasser rumhängt, kann man mit ihm schwimmen, ihn anfassen und ihn sogar von Hand füttern", sagt Ritter.

(ham)
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