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Herbstreise Amrum: Urlaub bei pfeifendem Wind

Amrum · Auf Amrum ist es im Herbst deutlich ruhiger als in der Hauptsaison. Gerade das macht die kleine nordfriesische Insel für viele dann attraktiv. Im Strandkorb kann es noch ganz gemütlich sein. Und wenn der Wind zu doll pfeift, hilft eine Tote Tante beim Warmwerden.

Amrum im Herbst
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Herbst auf Amrum - das hört sich nach beißendem Wind, kalten Füßen und dichtem Nebel an. Manchmal kommt es sogar noch schlimmer: Als die betagte Fähre der Wyker Dampfschiffs-Reederei W.D.R. nach zweistündiger Fahrt mit Zwischenstopp in Wyk auf Föhr am Anleger in Wittdün festmacht, ist es dunkel geworden, und es hagelt golfballdicke Brocken. Zögerlich bugsieren die Fahrgäste ihre Autos mit der Sorge ums Blech aus dem Schiffsbauch. Dann verlieren sich die Neuankömmlinge in der schwarzen Nacht. Ein neuer Tag kommt bestimmt - auch auf Amrum.

"Hagel? Eigentlich eher selten", lautet der Kommentar von Erk Winkler zur Wetterlage. "Und wenn es regnet, dann nie lange." Winkler ist gebürtiger Amrumer, spricht noch wie weniger als die Hälfte der 2200 Insulaner die langsam aussterbende Sprache Friesisch und verdient sein Geld wie mittlerweile viele im Tourismus. Etliche Betreiber von Unterkünften rufen ab Oktober die Nebensaison aus, dann gibt es Rabatte um die 20 Prozent. Als neuestes Projekt hat Winkler mit einem Geschäftspartner einen alten, reetgedeckten Bauernhof in Nachbarschaft zur St. Clemens-Kirche in Nebel übernommen und zur Ferienunterkunft mit drei Wohnungen ausbauen lassen.

Außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten

Dort, wo noch vor Jahren Kühe standen, schlafen heute vielerorts die Gäste. "Riecht nicht ganz so und bringt mehr Geld", scherzt der Fahrer der Bimmelbahn "Insel Paul", die Touristen täglich durch die Orte Nebel, Norddorf, Süddorf, Steenodde und Wittdün kutschiert. "50 Landwirte waren es einmal, heute gibt es noch 4." Regnet es, ist die Bahnfahrt keine schlechte Alternative zu Fahrradtouren oder Strandwanderungen. "Hier zur Linken haben wir eine Besonderheit - einen Wasserleichenfriedhof. Bis 1969 wurde er für angeschwemmte Seeleute genutzt, die nicht identifiziert werden konnten", erzählt der Mann in der kleinen Lok.

Wahrzeichen der Insel sind die St. Clemens-Kirche mit ihrer während einer Sturmflut ebenfalls angeschwemmten hölzernen, frühgotischen Apostelgruppe, die alte Windmühle bei Nebel und der Leuchtturm nahe Wittdün. Wer die 172 Stufen im rot-weiß geringelten Gebäude erklimmt, kann bei klarer Sicht manchmal 42 Kilometer weit blicken. So weit ist das Festland entfernt. Gerade einmal 10 Kilometer lang und 3,5 Kilometer breit ist die Insel und damit flächenmäßig kleiner als die Kleinstadt Niebüll auf dem Festland - und zu rund zwei Dritteln ist sie sandbedeckt.

Auch die Nachbarinsel Föhr ist von dort oben meist zu sehen. Dorthin wandern wird man im Herbst allerdings nicht mehr. Wattwanderungen werden ab Oktober üblicherweise nur noch in Küstennähe angeboten, nicht mehr von Insel zu Insel. "Teils müssen Sie ja hüfthohe Priele mit eiskaltem Wasser durchwaten," sagt die Dame am Schalter in der Kurverwaltung, dem "Haus des Gastes", in Nebel. Aber anders als im Winter sind im Herbst noch nicht alle Strandkörbe vom Kniepsand genannten Strand in die Winterlager verfrachtet worden.

Manchmal, so hatte es Herr Winkler prognostiziert, pustet der Wind sämtliche Wolken weg von der südlichsten der nordfriesischen Inseln. Dann tanzen viele Drachen im blauem Himmel, und es riecht noch einmal nach Sonnenmilch. Gummistiefel werden ausgezogen und Hosen hochgekrempelt, Kinder hüpfen in der Brandung. Erwachsene Nachahmer treten mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rückzug an - nur noch rund zehn Grad hat das Wasser zu Beginn des Oktobers. Den barfüßigen Nachwuchs hält das nicht ab, in Brandungsnähe Sandburgen zu errichten und Muscheln zu sammeln. Für einen Euro Leihgebühr den Tag stecken noch Schippen im Sand.

Mutige baden noch im Herbst

Im windgeschützten Strandkorb lässt es sich dann gut aufwärmen und in der Sonne dösen. Zwiebelschalenartig wird die Funktionskleidung abgelegt. Ein Tourist aus Hamburg, der seit seiner Kindheit zu jeder Jahreszeit ins Meer steigt, lässt sogar die Hüllen bis auf die Badehose fallen, und schwimmt geschlagene 15 Minuten im zehn Grad kalten Wasser. Dann steigt er purpurrot gefärbt aus den Wellen und muss sich dick eingepackten Menschen erklären: "Das ist reine Kopfsache."

Reine Wettersache ist das Radeln. Bei Dauerregen machen die Fahrradverleiher ihren Laden schon mal dicht. Scheint die Sonne, haben sie wie Erk Motzke vom Verleih nahe der Kirche in Nebel den ganzen Tag zu tun. Verleihen, entgegennehmen, Reifen flicken, Räder putzen. Und den Touristen erklären, wo sie entlangfahren können.
"Auf dem Waldweg kommen Sie gut nach Norddorf, die Wattseite würde ich im Herbst nicht entlangfahren." Die ist mitunter zu schlammig.

An einem Tag lässt sich die Insel von Nord nach Süd und Ost nach West gut durchradeln. Mit gebührenden Stopps, etwa am Wittdüner Strand. Dort ist der sandige Inselsaum zur offenen Seeseite so breit, dass man die Wasserkante manchmal erst von einer Düne aus sieht. Das wirkt dann fast wie eine Fata Morgana.

Leckere Schlemmereien

Wenn gegen Spätnachmittag die Kälte Radlern und Strandgängern dann doch bis in die Knochen kriecht, kommt die Tote Tante genau richtig. So nennen die Nordfriesen ihr Heißgetränk mit Kakao, Rum und Sahnehäubchen, wie es etwa im Strandlokal in Nebel serviert wird. Und weil auch auf Amrum die Abende im Herbst lang sind, bleibt genug Zeit zum Pulen von Nordseekrabben vorm Kamin in der Ferienwohnung.

Frische Ware, ohne Konservierungsstoffe, so versichert Betreiberin Marie-Luise Thaden, wird im "Steuerhaus Nr. 1" auf der Mole in Steenodde verkauft, für 3,5 Euro der Liter. Ihr Mann, den sie als "letzten Fischer Amrums" bezeichnet, fahre täglich raus und koche die Krabben noch an Bord in Nordseewasser. Es gibt Gerüchte, auch Thaden kaufe mittlerweile beim Großhandel zu. Doch das köstliche Aroma der Schalentiere kann dieser Gedanke nicht vrderben.

(dpa)
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