Insel Ruden Vogelparadies in der Ostsee

Die MS "Seeadler" fährt an der winzigen Insel Ruden vorbei zur nicht viel größeren Greifswalder Oie. Besucher dürfen nur kurz bleiben. Denn das Naturparadies gehört den Seevögeln - und den Pommerschen Landschaften.

Die schönsten Reiseziele an der Ostsee
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Foto: Shutterstock.com/ Frank Wasserfuehrer

Bei "Wer wird Millionär?" wäre "Was ist die Greifswalder Oie?" eine der lukrativeren Fragen. Die kleine Ostseeinsel kennen nur wenige. Und von denen, die sie kennen, waren die meisten noch nie da. Sie liegt gerade mal ein paar Kilometer vor der Nordspitze Usedoms. Hotels gibt es keine, Ferienwohnungen und Pensionen auch nicht. Übernachtungen sind nicht vorgesehen. Schon die Fahrt dorthin mit der MS "Seeadler" fühlt sich an wie die langsame Annäherung an eine andere, etwas fremde Welt.

Von Peenemünde aus tuckert das Schiff auf dem Weg dorthin gemächlich am nördlichsten Zipfel Usedoms vorbei. Höckerschwäne sind am Ufer zu sehen, und passend zum Schiffsnamen lässt sich auch ein Seeadler blicken. Der Kapitän der Apollo-Reederei steuert durch das Boddengewässer, auf dem die Sonne glitzert. Die "Seeadler" passiert ein rot-weiß-geringeltes Leuchtfeuer auf der rechten Seite. Links sind Anflugtürme zu sehen, die Piloten helfen sollten, den kleinen Flugplatz von Peenemünde zu finden.

Mit dem Schiff zur Greifswalder Oie
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Mit dem Schiff zur Greifswalder Oie

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Und dann kommt schon bald die winzige Insel Ruden in Sicht. An ihrer Südspitze ruhen sich Kormorane aus. Beliebt ist sie auch bei Zugvögeln, die eine Pause brauchen. Menschen sind selten zu sehen. Es gibt nur ein einziges Wohnhaus, und zurzeit laufen keine Ausflugsschiffe die Insel an - die Hafenanlage gilt als nicht verkehrssicher. Ruden wurde schon 1925 unter Naturschutz gestellt. Gut 150 Pflanzen- und mehr als 50 Vogelarten sind hier nachgewiesen. Die Reiherente gehört dazu, die Flussseeschwalbe, der Kolkrabe, der Alpenstrandläufer und das Wintergoldhähnchen. Und ein Ruheraum für den Seeadler ist Ruden auch.

Die MS "Seeadler" lässt die Insel links liegen. Ein bisschen Seegang gibt es, vorne am Bug spritzt das Wasser über die Reling. Die Passagiere, allesamt Landratten, sitzen nun sicherheitshalber im Heck. Im "Salon" unter Deck ist Kaffee und selbst gebackener Kuchen zu haben. Zur Greifswalder Oie ist es nun nicht mehr weit.

Die Insel ist ein Vogelparadies. Schon die Mole im Hafen ist ein Brutplatz für Möwen. Der Vogelschutzverein Jordsand hat hier eine Station, in der man auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr machen kann. Mathias Mähler leitet sie. Die 1,5 Kilometer lange und maximal 570 Meter breite Insel, in der DDR militärisches Sperrgebiet, gehört heute dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Der Verein ist zuständig für Landschafspflege und Naturschutzarbeiten. Und für die Forschung, sagt Mähler. "Wir haben hier die größte Vogelberingungsstation Deutschlands."

Die Vogelschützer fangen rund 20.000 Singvögel pro Jahr, darunter allein 8000 Rotkehlchen, bestimmen das Geschlecht, vermessen und beringen sie und lassen sie wieder fliegen. "Manchmal mehrere hundert pro Tag in der Fangsaison von Mitte März bis Mitte Juni und dann im Herbst von August bis November", erklärt Mähler. "Das dauert pro Vogel nur eine halbe Minute."

Mähler stammt aus dem Eichsfeld in Thüringen und hat Forstwissenschaft mit Schwerpunkt Naturschutz in Göttingen studiert. Begeisterter Ornithologe war er schon immer, seit acht Jahren arbeitet er auf der Oie. Besucher über die Insel zu führen, gehört zu seinen regelmäßigen Aufgaben. Die Wege sind schmal, links und rechts ist alles grün. Weißdorn wächst hier, Holunder, Schlehe. "Brombeeren gibt es in Riesenmengen", sagt Mähler. "Und Apfelbäume haben wir auch."

Ein Abstecher zur Schafweide darf nicht fehlen. Das Blöken der Lämmer ist im Frühsommer schon von weitem zu hören: Pommersche Landschafe grasen auf saftigem Grün zwischen Pusteblumen und gelben Löwenzahnblüten, allein mehr als 100 Muttertiere. Mähler führt seine Gäste bis zur Steilküste, an der die Ostsee kräftig rauscht. Auf den Felsen im Wasser sitzen bewegungslos Kormorane, ein paar Schwäne dümpeln auf den Wellen. Der Blick von hier oben fällt Richtung Süden - am Horizont ist Zinnowitz zu erkennen, einer der beliebten Badeorte auf Usedom. Auf der Oie ist Baden verboten. Dabei ist die Ostsee an etlichen Stellen zu sehen.

Am weitesten gucken kann man vom roten Backsteinleuchtturm der Insel aus. Er wurde von 1853 bis 1855 gebaut und ist 48 Meter hoch, 150 steinerne Stufen führen nach oben. "Bei gutem Wetter sieht man die Kreidefelsen von Rügen, Sassnitz und Göhren, die Usedomer Küste und sogar bis Swinemünde in Polen", sagt Mähler. Bis nach Usedom sind es Luftlinie elf Kilometer, bis nach Rügen zwölf.

Als die MS "Seeadler" wieder starten will, macht Mähler das Seil los. Dass die Besucher, denen er eben noch seine Insel gezeigt hat, schnell wieder weg sind, ist er gewohnt. Der Wind kommt nun von hinten, das Schiff liegt deutlich ruhiger auf dem Wasser. Im "Salon" gibt es Erbsensuppe. Die "Seeadler" überholt ein Segelboot. Möwen kreuzen den Weg. Und die Greifswalder Oie ist bald kaum noch zu erkennen.

(RP)
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