Schweiz Weihnachten in Montreux

Montreux · Nirgendwo sonst liegen weiße Weihnachten und mediterranes Flair so nah beieinander wie in der Stadt über dem Genfersee. Im Dezember residiert dort zudem der Weihnachtsmann - 2040 Meter über Montreux auf dem Rochers-de-Nay.

 Eine Weihnachtsmannfigur fliegt in einem Schlitten über den Genfer See.

Eine Weihnachtsmannfigur fliegt in einem Schlitten über den Genfer See.

Foto: dpa, lg sme af

Wer will schon bei seiner Arbeit ständig nur im Schnee stehen und Eiszapfen im Bart tragen? Der Weihnachtsmann jedenfalls nicht. Der hat die rote Nase voll vom eisigen Weiß in Finnland und ist in eine Filiale am milden Genfersee gezogen. Wo sonst liegen weiße Weihnachten und mediterranes Flair so nah beieinander wie in Montreux, mag sich der gute Mann gesagt haben. Stimmt. Im Winter bei frühlingshaften Temperaturen auf einer Uferpromenade unter Palmen über den Weihnachtsmarkt schlendern, kann man in Finnland nicht.

Um Irrtümern vorzubeugen: Damit zwischen der Schweiz und Finnland keine frostigen Zeiten anbrechen, bleibt das logistische Zentrum für weihnachtliches Schenken selbstverständlich im finnischen Rovaniemi. Jede Weihnacht residiert der Mann mit Rauschebart jedoch 2040 Meter über Montreux auf dem Berg Rochers-de-Nay und empfängt Tausende von Kindern. Nur montags und dienstags ist die stimmungsvolle Dependance geschlossen. Dann fliegt der Weihnachtsmann höchstwahrscheinlich mit seinem Rentiergespann nach Finnland, um zu schauen, wie dort der Geschenkevertrieb so läuft.

Im Bahnhof Montreux sputen sich Eltern, Großeltern und Kinder, einen Fensterplatz in der Zahnradbahn zu ergattern. Die Fahrt auf den Hausberg bietet spektakuläre Panoramen für Auge und Objektiv. In der Ferne recken sich Eiger, Mönch und Mont Blanc in den Himmel. Draußen wird es kälter, die Landschaft weißer. Nur die kleine Johanna hat für die winterliche Pracht keinen Blick. "Opa hat gesagt, der Weihnachtsmann wohnt in Finnland", sagt die Sechsjährige, runzelt zweifelnd die Stirn und zupft Niklaus Mani am Ärmel. Der ist kein richtiger Nik(o)laus, sondern Marketingchef der Bergbahn, weiß aber, wie der Weihnachtsmann auf den Gipfel kam. Das war so: Eines Tages flog der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren über die Schweizer Riviera. Der Anblick war so schön, dass er Rudolph bat, tiefer zu fliegen. Als das Rentier bremste, streifte es jedoch mit seinen Hufen den Rochers-de-Nay und musste notlanden. Da entdeckte der Weihnachtsmann in einem der Felsen eine große Höhle. "Ho, Ho, Ho, das gefällt mir. Hier möchte ich in der Adventszeit wohnen", rief er. Seither lädt er mittwochs bis sonntags Kinder aus aller Welt zu sich ein - so die Legende.

Bei seiner Ortswahl kam dem Weihnachtsmann zugute, dass schon seit mehr als 130 Jahren Schienen auf den Balkon der Riviera führen. Früher mussten Reisende noch mit einer Seilbahn vom See bis zum Schienenanschluss fahren. Ab 1909 brachte sie dann ein Dampfzug und später ein elektrisches Bähnlein direkt von Montreux auf den Rochers-de-Nay.

Noch eine Kurve, dann stoppt der Zug an der Bergstation Caux. Wer möchte, darf jetzt zu einem ganz besonderen Weihnachtsdorf hinabsteigen. Auf einem Panoramaweg mit Weitwinkel-Perspektive über den Genfersee reihen sich wie an einer Perlenschnur Holzhäuschen mit Werkstätten, rustikale Gaststuben sowie das Postbüro des Weihnachtsmannes aneinander. Rentiere und Alpakas beäugen neugierig die Besucher. Über offenen Feuern dampfen Suppentöpfe, zwei Clowns bereiten ihren Auftritt vor. Und weiter oben an einem Waldhang wohnen in winzigen, bunt beleuchteten Häuschen vermutlich Wichtel und Feen.

Der Zug zuckelt nun durch eine Märchenwelt wie aus Puderzucker. Eine Aussicht zum Dahinschmelzen. Im weiten Bogen windet sich die Bahn hinauf zur Endstation. Johanna kann das Rendezvous mit dem Weihnachtsmann kaum erwarten. Derweil bereitet sich Jean-Marie Daunas im Weihnachtsmann-Stübchen auf seinen Dienst vor. Seine Arbeit begreift der fünf Sprachen sprechende Theaterregisseur als eine "geschichtliche Herausforderung". Er habe die Historie des Weihnachtsmannes gründlich studiert. Für ihn sei der Weihnachtsmann die Verkörperung einer positiven Gestalt, die keiner Religion zuzuordnen sei. Er sei kein Zuchtmeister, er will Kinder staunen lassen und für einen Moment in ein Reich der Fantasie führen, aus dem sie schon bald vertrieben werden, meint Jean-Marie und schlüpft in sein rotes Kostüm.

Vor dem geschnitzten Holzthron im weihnachtlich geschmückten Salon warten bereits drei Dutzend Kinder auf ihre Audienz. Johanna will unbedingt ein Foto. Damit sie dem Opa daheim zeigen kann, wo der Weihnachtsmann wirklich wohnt ...

(RP)
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