Zur teuersten Unterkunft im Mittelalter

Am Ende des Dritten Kreuzzuges verschlug es den legendären König Richard I., auch bekannt als Löwenherz, in die Wachau - allerdings nicht freiwillig.

Dürnstein im Spätsommer: Am sonnigen Donauufer legt ein Flusskreuzfahrtschiff an. Urlauber aus aller Welt wollen das mittelalterlich anmutende Dürnstein mit seinen schmalen, verwinkelten Gassen, prächtig restauriertem Schloss, gemütlichen Restaurants und Weinläden sowie gerade einmal 869 Einwohnern erkunden.

Viele der Gäste sind von der Neugier getrieben, denn die Flusskreuzfahrer von heute sind einem der berühmtesten Kreuzzügler des Mittelalters auf der Spur. Am Ende des Dritten Kreuzzuges zog es den legendären König Richard I., genannt Löwenherz, der sich mit seinem Heldenmut im Heiligen Land über Europas Grenzen hinaus einen Namen gemacht hatte, in die Wachau - allerdings nicht freiwillig.

Wie Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, und der französische König Philipp II. war auch der englische König Richard I. dem Ruf des Papstes gefolgt, um Jerusalem von den Muslimen zu befreien. Barbarossa ertrank auf dem Hinweg tragisch, sodass sich Herzog Leopold V. von Österreich an die Spitze des deutsch-österreichischen Kontingents stellte. Bei der Einnahme Akkons von Richard I. und Philipp II. wurde er allerdings um seinen Beuteanteil gebracht. Leopold schwor Rache, und nachdem die Kreuzfahrer vor den Toren Jerusalems zur Umkehr gezwungen wurden, sollte der Herzog nicht lange auf seinen Vergeltungsschlag warten müssen.

Feindselige Machtambitionen des französischen Königs und wohl auch Stürme über dem Mittelmeer zwangen Löwenherz, als Pilger verkleidet von der nördlichen Adria aus den Landweg in Richtung Heimat einzuschlagen. Doch schon bald spürten ihn die Schergen Leopolds auf und nahmen ihn vor den Toren Wiens gefangen. Im Dezember 1192 landete er zur weiteren Verwahrung in Dürnstein, bevor ihn Leopold an den neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich VI., auslieferte.

Für die Freilassung von Löwenherz forderten Leopold V. und Heinrich VI. die ungeheuerliche Summe von 150.000 Mark in Silber, was heute etwa 21 Millionen Euro (gemessen an der Wertentwicklung des Silbers) entspräche. Der Überlieferung nach brachten die Engländer tatsächlich 100.000 Mark auf und Löwenherz konnte in sein Königreich zurückkehren.

Da sich Historiker nicht darüber einigen konnten, wo genau der berühmte Engländer in Dürnstein einsaß, nahm ihnen die Gemeindeverwaltung die Entscheidung ab und legte einen Erlebniswanderweg an, der vom Donauufer zur alten Burgruine führt, die knapp 200 Meter hoch auf einem Felsen über der Donau und dem Ort thront. Von den Schweden im Dreißigjährigen Krieg gesprengt, gibt sie eine prächtige Kulisse ab, in der Legende und belegte Geschichte aufeinandertreffen. Bild- und Texttafeln informieren auf dem Wanderweg über historische Fakten und Ersonnenes und sorgen für einen kurzweiligen Aufstieg. Ist man oben angelangt, so wird man mit einem wunderbaren Panoramablick über die sich im Tal schlängelnde Donau, schroffe Felswände und verträumte Ortschaften belohnt.

Gleich unter der Burgruine trifft man auf Dr. Gottfried Thiery, der hier am Steilhang den letzten Weingarten innerhalb der alten Schutzmauern betreibt. Auch ihn lässt die Löwenherz-Geschichte nicht mehr los. "Das wahre Motiv für die Gefangennahme dürfte auch damals im Kampf um Macht und Einfluss in Europa zu suchen sein", sagt er bei einem ausgezeichneten Riesling mit Blick auf den zweitlängsten Fluss Europas von der Terrasse des Hotels Löwenherz aus. "Dennoch hatte der berühmte Gast Glück, in einer der besten Weißweinregionen der Welt auf sein weiteres Schicksal zu harren", fügt er verschmitzt lächelnd hinzu.

Wandert man von der Burgruine Dürnstein weiter auf den Höhenkämmen des Welterbesteiges entlang der Donau, so öffnet sich immer wieder der Blick auf steile Weinlandschaften, auf denen das milde Klima des engen Flusstales und die mineralhaltigen Böden zwischen Melk und Krems ausgezeichnete Trauben von Riesling und Grünem Veltliner reifen lassen. Unterwegs laden vorzügliche Restaurants wie das Weingut Holzapfel in Weißenkirchen zu Weinproben und kulinarischen Leckerbissen ein, die den Wandertag ausklingen lassen.

Auf dem Wegabschnitt nach Melk geht es an der Wehrkirche St. Michael aus dem 10. Jahrhundert und an den Burgruinen Spitz und Aggstein vorbei, die im 12. Jahrhundert errichtet wurden. Die Burgen mit ihren grandiosen Aussichten standen schon, als zigtausende Kreuzfahrer begeistert das Donautal auf dem Weg ins Heilige Land passierten. Und sie sahen den demoralisierten Rückzug der Überlebenden - Zeitzeugen des unermesslichen Leids infolge der Schlachten zwischen Christen und Muslimen.

Die Redaktion wurde wurde von der Kooperation "Schlosshotels & Herrenhäuser" eingeladen.

(RP)
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