Dinslaken Als Fluchthelfer die eigene Freiheit riskiert

Dinslaken · Erika und Helmut Kemper aus Walsum wollten durch Mauer und Stacheldraht getrennte Familien und Ehepaare zusammenbringen. Ein Tunnel eröffnete DDR-Bürgern den Weg in eine neue Zukunft.

 Erika und Helmut Kemper werden in der zweiten Auflage des Buches "Fluchthelfer" von Keussler und Schulenburg namentlich genannt.

Erika und Helmut Kemper werden in der zweiten Auflage des Buches "Fluchthelfer" von Keussler und Schulenburg namentlich genannt.

Foto: Martin Büttner

Als Hermann und Erika Kemper kürzlich davon erfuhren, dass 15 ehemalige Fluchthelfer mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden sollten, freuten auch sie sich über diese Ehrung. Denn das Walsumer Ehepaar half in den ersten Jahren nach dem Bau der Berliner Mauer DDR-Bürgern bei der Flucht in den Westen.

"Wir wollten nie Dank, nie einen Orden oder etwa Geld. Wir wollten auch nicht als Helden angesehen werden. Wir wollten nur dabei helfen, Ehepaare und Familien, die durch Mauer und Stacheldraht getrennt waren, wieder zusammen zu bringen", erinnert sich die 79-jährige Erika Kemper an ihre Zeit als Fluchthelferin.

Sie und ihr heute 82-jähriger Mann waren sich damals gar nicht der Gefahr bewusst, in der sie schwebten. Das wurde ihnen erst viel später klar, als sie die Möglichkeit wahrnahmen, die Akten einzusehen, die der Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik über sie angelegt hatte und die in der Stasi -Zentral in Berlin aufbewahrt und später entdeckt wurden.

Die beiden Walsumer wurden von den Spitzeln in die Kategorie "Kriminelle Menschen-Händler Bande" eingestuft. "Wären wir entdeckt und verhaftet worden, so hätte uns eine Verurteilung zu acht, eher noch zehn bis zwölf Jahren Zuchthaus gedroht", sagt Helmut Kemper und mag sich gar nicht ausmalen, was das bedeutet hätte. Im Nachhinein erfuhren die Eheleute, dass sie diesem Schicksal nur ganz knapp entgangen sind, denn für beide waren die Haftbefehle schon ausgestellt.

Während seiner politischen Tätigkeit als Vorsitzender der Jungen Union Kreis Dinslaken organisierte Helmut Kemper Studienwochen im geteilten Berlin. Bei diesen Aufenthalten standen stets Besuche im Flüchtlingslager Marienfeld an. Die Schicksale der dort untergebrachten Menschen gingen den damals 30 und 33 Jahre alten Eheleute so nah, dass sie helfen wollten. Sie kamen in Kontakt mit Gleichgesinnten, wurden 1963 zu Fluchthelfern.

Für die Dauer der Aktionen brachten die Walsumer ihre drei Kinder bei Nachbarn unter. Bei den Fluchthelfern gab es zwei Gruppen, die sich aus Sicherheitsgründen nicht kannten. Die einen waren die "Wühlmäuse", die den Tunnel an der Bernauer Straße in Berlin bauten — darunter auch ein Bergmann aus Walsum —, die anderen betätigten sich als Kuriere — zu denen gehörten die Kempers und weitere Mitglieder der Jungen Union aus Dinslaken und Walsum. Sie nahmen Kontakt zu den Fluchtwilligen in Ost-Berlin auf, halfen ihnen, in die Freiheit zu entkommen und kümmerten sich teilweise auch noch danach um sie. Bei einer dieser Aktionen gelang 57 Menschen die Flucht.

"Anfangs waren die Fluchthelfer Helden in der Öffentlichkeit. Später gab es welche, die es gegen Geld machten und krumme Dinge drehten", weiß Helmut Kemper. "Wir haben von niemandem Geld verlangt", betonen Erika und Helmut Kemper, die heute wissen, dass sie damals einen Schutzengel hatten, der über sie wachte und dafür sorgte, dass sie nicht aufflogen. Dafür sind die Eheleute noch heute dankbar.

(RP/ila)
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