Dinslaken Gericht spricht Ratsherrn frei

Dinslaken · Hintergrund: Warum ein Ratsherr vor Gericht stand, warum er freigesprochen wurde und warum er das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für einen Skandal und den Prozess gegen ihn für eine Farce hält.

"Der Angeklagte wird freigesprochen." Das Urteil des Dinslakener Schöffengerichts, das Richter Jochen Hinninghofen verkündete, ließ an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Und das hatte der Angeklagte auch so erwartet. Der Angeklagte — das war in diesem Fall Rechtsanwalt und Notar Bernd H. Minzenmay, im Ehrenamt bekanntlich FDP-Fraktionsvorsitzender im Dinslakener Rat. Wie er auf die Anklagebank kam?

Alles begann im Jahr 1997. Da hatten Dinslakener Steuerberater die Idee zu einem, wie Hinninghofen in seiner Urteilsbegründung sagte, "für alle Beteiligten lukrativen Geschäft". Im Kern ging es darum, dass Leute auch für nicht eigengenutzten Wohnraum als Mitglied der zu diesem Zweck gegründeten Genossenschaft Eigenheimzulage beanspruchen konnten. Genossen zu finden, war unter diesen Bedingungen nicht schwer. Die Genossenschaft prosperierte.

Dann aber brachte zunächst ein — wie sich später herausstellte: rechtswidriger — Ministerialerlass, letztlich eine Gesetzesänderung die Genossenschaft ins Straucheln, was schließlich zu deren Insolvenz führte.

Minzenmay war von Beginn an als Anwalt der Genossenschaft tätig, was ihm im Juli 2006 den Besuch der Staatsanwaltschaft in seiner Kanzlei eintrug. In Begleitung von etwa einem Dutzend Polizeikräften, so berichtet er, präsentierte eine Staatsanwältin ihm einen Durchsuchungsbeschluss, der einzig und allein auf dem Vorwurf gegründet habe, dass er sich als faktischer Geschäftsführer der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht habe.

Bei der Durchsuchung seien sämtliche Mandantendaten kopiert sowie Mandantenakten beschlagnahmt worden, die etwa sechs große Kartons gefüllt hätten. Den Vorwurf der Insolvenzverschleppung, der nach Minzenmays Meinung von "vornherein absurd" war, hat die Staatsanwaltschaft nicht aufrechterhalten. "Es ist nämlich völlig einhellige Rechtssprechung, dass ein selbstständiger Rechtsanwalt und Notar niemals faktischer Geschäftsführer der Mandantin ist, so intensiv er sie auch betreuen mag und er auch außerdem schon deshalb niemals hinter dem Rücken einer Mandantin über deren Vermögen Insolvenzantrag stellen könnte, weil er sich dadurch der strafbaren Verschwiegenheitspflichtverletzung und des strafbaren Parteiverrats schuldig machen würde", erklärte der Rechtsanwalt.

"Im weiteren Ermittlungsverfahren haben wir immer darauf hingewiesen, dass wir die Durchsuchung unserer Kanzlei nur als offensichtlichen Vorwand betrachten würden, um anhand unserer Kanzleiakten ganz einfach und ohne größere Ermittlungsbemühungen möglicherweise die verantwortlichen Vorstandsmitglieder einer strafbaren Handlung überführen zu können."

Die Verfahren gegen zwei Vorstandsmitglieder wurden später gegen die Zahlung von Geldbußen eingestellt. Gegen Minzenmay, der der auch ihm angebotenen Einstellung widersprach, erhob die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage wegen strafbarer Bankgeschäfte und wegen Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung — "Beifänge aus der rechtswidrigen Durchsuchung", wie Minzenmay meint.

Beim ersten Tatvorwurf ging es darum, dass Minzenmay private Kredite gewährt hatte, mit Hilfe derer Interessierte Genossenschaftsanteile erwerben konnten. Dies hätte er nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht ohne Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) tun dürfen. Das Gericht, so erläuterte Hinninghofen in der Urteilsbegründung, kam allerdings zur gegenteiligen Auffassung. Damit war dieser Tatvorwurf vom Tisch.

Blieb die "Teilnahme an der Gläubigerbegünstigung" — ein Tatbestand, der laut Hinninghofen ausgesprochen selten verhandelt wird. Hier ging es darum, dass die Genossenschaft zugunsten Minzenmays zur Absicherung seiner unbestrittenen Ansprüche eine Grundschuld hatte eintragen lassen und ihn damit gegenüber anderen Gläubigern begünstigte.

Dies wäre dann strafbar gewesen, wenn Minzenmay zu dem Zeitpunkt, als die Grundschuld eingetragen wurde, zumindest gewusst hätte, dass die Genossenschaft insolvent sei. Das allein schon, so urteilte das Gericht, habe die Staatsanwaltschaft nicht beweisen können. Also sprach es Minzenmay auch in diesem Punkt frei.

Der wirft der Staatsanwaltschaft nun vor, die juristischen Fragen von Anfang an nicht hinreichend geprüft zu haben. "Hätte die Staatsanwaltschaft sorgfältig geprüft, wie es ihre Pflicht ist, hätte diese Verhandlung niemals stattgefunden", erklärte der Dinslakener Rechtsanwalt.

(RP/ac)
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