Voerde Mechanismen der Nazi-Herrschaft im Rollenspiel selbst erleben

Voerde · Schüler des Gymnasiums Voerde wurden für einige Stunden zu Zwangsarbeitern im NS-Regime.

 Rollenspiel am Gymnasium Voerde: Museumspädagoge Olaf Fabian-Knöpges (links) mimte in Uniform den Nazi-Offizier und befahl den Schülern unter anderem, ihre Namen durch Nummern auf dem Unterarm zu ersetzen.

Rollenspiel am Gymnasium Voerde: Museumspädagoge Olaf Fabian-Knöpges (links) mimte in Uniform den Nazi-Offizier und befahl den Schülern unter anderem, ihre Namen durch Nummern auf dem Unterarm zu ersetzen.

Foto: Martin Büttner

Bei der Vorbesprechung zum Rollenspiel zeigt sich Museumspädagoge Olaf Fabian-Köpges vor den Schülern der Leistungskurse in Geschichte und Sozialwissenschaften noch ganz nett. Doch kaum ist er für das Spiel in die Uniform eines Nazi-Offiziers geschlüpft, beginnt seine Manipulation der Schüler, die Zwangsarbeiter spielen. Zuerst geht es noch gemäßigt zu: In Reihen antreten, posieren, sich mit dem eigenen Namen korrekt vorstellen.

Dann allerdings beginnt ein relativ perfides Spiel. "Wer ist denn der Gemeinste aus dieser Reihe", fragt der Museumspädagoge und sucht sich mit dieser Frage seine Aufseher, die "Kapos" aus. Danach geht es an die Feststellung der Fähigkeiten der zu Zwangsarbeitern gewordenen Schüler. Während der Mann in Uniform ihnen mit einem Schlagstock vor dem Gesicht herumwedelt und fast Nase an Nase mit ihnen steht, sollen sie alle Primzahlen bis 50 aufzählen oder das Alphabet rückwärts aufsagen. Auch Kinderlieder singen gehört zu den Aufgaben. Wenn etwas nicht so klappt, wie es der Offizier will, sind Liegestütze oder Kniebeugen angesagt. "Ich bin hier, um aus euch gute Deutsche zu machen", sagt der Aufseher. Der erste Schüler steigt nach 50 Minuten aus dem Rollenspiel aus. Zwei weitere werden ihm später folgen. Selbst, als sie später Medaillen herstellen und die "Kapos" ihre Mitschüler bestrafen sollen, spielen die Jugendlichen noch weiter mit.

"Es geht darum, den Schülern zu zeigen, mit welchen Methoden die Zwangsarbeiter behandelt wurden", erklärt Olaf Fabian-Köpges. "Vor allem sollen die Menschen isoliert werden." Dazu auch bloßgestellt, unter Druck gesetzt und somit am Ende kontrolliert. Das wird den Schülern wohl erst richtig klar, als der Museumspädagoge auf eine Pistole verweist, die während der gesamten Spielzeit in Griffnähe einiger Schüler lag. "Wenn sich jemand die gegriffen und auf mich geschossen hätte, wäre das eine Form des Widerstands gewesen", erklärt er.

Doch statt Rebellion waren während des Spiels eher Unterordnung und Selbstschutz zu beobachten — auch auf Kosten von anderen "Zwangsarbeitern". "Es war für mich erschreckend zu beobachten, wie schnell es geht, solche Strukturen zu errichten", sagt einer der Schüler in der Nachbesprechung zum Rollenspiel. Einige der jungen Teilnehmer waren auch über ihr eigenes Verhalten erstaunt, oft angetrieben durch Hilflosigkeit. "Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte", ist einer der Sätze, die bei der Nachbesprechung öfter fallen.

Für die Schüler eine ungewöhnliche Erfahrung, die anscheinend einiges an Erkenntnisgewinn gebracht hat, was die Mechanismen der Unterdrückung angeht.

(RP)
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