Serie 25 Jahre Krupp-Arbeitskampf Deutsche Geschichte zum Anfassen

Duisburg · So sieht praktische Geschichte aus. Der Geschichtskurs der Jahrgangsstufe 11 der Lise-Meitner-Gesamtschule veranstaltete am Freitag ein Zeitzeugencafé zum Rheinhauser Arbeitskampf. Die Protagonisten hatten in der Schulaula viel zu erzählen.

 Prominenter Besuch vor Ort: Götz George alias Horst Schimanski und Eberhard Feik alias Christian Tanner (Tatort Duisburg) besuchten Manfred Bruckschen (links) am 22. Januar 1988 bei der Mahnwache an Tor 1.

Prominenter Besuch vor Ort: Götz George alias Horst Schimanski und Eberhard Feik alias Christian Tanner (Tatort Duisburg) besuchten Manfred Bruckschen (links) am 22. Januar 1988 bei der Mahnwache an Tor 1.

Foto: Bruckschen

Rheinhausen Nur ein kleines Stichwort genügt. Arbeiterkampf. Manfred Bruckschen befindet sich wieder im Jahr 1987. "Am 26. November 1987 habe ich einen Anruf von Theo Steegmann erhalten. Ob ich schon gehört habe, dass wir verlegt werden. Ich wusste von nichts", schildert Bruckschen. Der damalige Betriebsratsvorsitzende ist kaum zu halten, wenn es um die bewegten Monate des Arbeiterkampfes der Rheinhauser Kruppianer geht. Doch nicht nur der 74-Jährige sprudelte wie die Niagara-Fälle. Auch die weiteren Gäste hatten am Freitag beim Zeitzeugencafé der Lise-Meitner-Gesamtschule viel zu erzählen.

Der Geschichtskurs der Jahrgangsstufe 11 von Annegret Keller-Steegmann hatte diesen denkwürdigen und bewegenden Nachmittag organisiert. Anlass für das Zeitzeugencafé war das Thema "Was uns bewegt". "Der Arbeiterkampf ist hier in Rheinhausen einfach ein sehr wichtiger Teil der Geschichte. Viele Eltern der Schüler waren damals sogar selbst dabei", erklärte Keller-Steegmann, Ehefrau von Theo Steegmann.

Es war faszinierend, den Zeitzeugen zuzuschauen und vor allem zuzuhören. An verschiedenen Tischen saßen die prägenden Figuren des Arbeiterkampfes in der Schul-Aula und referierten ausführlich über ihre einschneidenden Erlebnisse. Die Schüler schlüpften in die Rolle von Journalisten und hakten nach.

Manfred Bruckschen war ein besonders interessanter Gesprächspartner, schließlich war der Rentner seinerzeit das Gesicht des Arbeiterkampfes. "Ich war damals jeden Tag im Fernsehen, und das zur besten Sendezeit. Aber die große Arbeiterbewegung war nicht mein Verdienst, sondern das der Belegschaft und der gesamten Stadt", lobte das Urgestein noch heute den Einsatz der Kruppianer. Es ist unübersehbar, dass der 74-Jährige die vielen emotionalen Erlebnisse der Vergangenheit noch einmal durchlebte. Stichwort Brücke der Solidarität: "Ich bekam nachts einen Anruf von der Polizei, dass die Kumpel die Brücke gesperrt hätten. Das war ein absoluter Selbstläufer."

Auch das Leben Bruckschens früherer Kollegen ist von dem Arbeiterkampf geprägt. "Der Stilllegungsbeschluss war ein riesiger Schock für uns. Das hat alles verändert", erinnerte sich Dieter Sperlich, früheres Betriebsratsmitglied. Auch der Zeitzeuge Jörg Lauer empfand diesen Moment als besonders erschütternd: "Man war einfach nur sprachlos. Das hat uns enorm mitgenommen."

Die Schüler sogen die Zeitzeugenberichte interessiert und fasziniert zugleich auf. "Viele von uns kennen ja nur die reinen Fakten aus Büchern oder Zeitungsartikeln. Es ist schön, eine subjektive Sichtweise zu erfahren", sagte Darlene Hörle stellvertretend für ihre Mitschüler. Die Mutter der 16-Jährigen war 1987 selbst auf der Straße. Darlene ist so angetan, dass sie mit dem Gedanken spielt, ihre Facharbeit über den Arbeiterkampf zu schreiben. Mit dieser Idee steht sie nicht allein da.

Nach knapp eineinhalb Stunden endete das Zeitzeugencafé. "Es hat mir sehr gut gefallen. Die alten Emotionen sind wieder hochgekommen", meinte ein sichtlich bewegter Manfred Bruckschen. Seine früheren Weggefährten unterstützten Bruckschens Ansicht. Schulleiter Jürgen Petrasch freute sich über den gelungen Nachmittag. "Das war originärer Geschichtsunterricht. Ich würde mich freuen, wenn wir so etwas häufiger durchführen könnten." Die vielen Zeitzeugen nickten und klatschten.

(RP/ac)
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