Loveparade-Besucher aus der Region berichten "Halte mein Kind, ich falle gleich um"

Zwei Tage nach der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade sitzt der Schock bei vielen noch tief. Viele Menschen aus der Region waren selbst in Duisburg oder mussten um Angehörige oder Freunde bangen. Ihre Geschichten sind erschütternd.

Loveparade 2010 in Duisburg: Die Katastrophe
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Loveparade 2010: Die Katastrophe

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Foto: APN

Benedikt Oymann aus Xanten wird die dramatischen Erlebnisse wohl lange nicht vergessen können. "Das Schlimmste war es, mit anzusehen, wie ein paar Mädchen am Zaun standen und ihren Freunden beim Sterben zusehen mussten", sagt er, "man fühlte sich so machtlos."

Gemeinsam mit einigen Freunden war Benedikt zur Loveparade nach Duisburg gereist. Plötzlich stand die Gruppe mitten in einer Menschenmenge, die immer unruhiger wird. Beate Wyglenda, ebenfalls mit der Gruppe aus Xanten unterwegs, hatte Todesangst: "Mich packte ein Junge an den Schultern und schrie mich an, ich solle von hier verschwinden, wir würden alle zerquetscht werden! Er wollte mir helfen, doch in seiner eigenen Panik drückte er mich stattdessen nur weiter runter. Wir wurden von der Masse in verschiedene Richtungen gedrückt, doch er wollte immer noch nicht loslassen. Als er mich dadurch zu würgen begann, versuchte ich mich verzweifelt los zu reißen. Nur nicht hinfallen, dachte ich mir." Beate konnte sich retten. "Irgendwann habe ich es doch geschafft, keine Ahnung warum. Und auch meine Freunde habe ich wiedergetroffen, immer noch am ganzen Körper zitternd."

Die Schilderungen von Benedikt Oymann lassen erahnen, wie machtlos der Einzelne im Gedränge war. "Zwischenzeitlich stand ich in der Luft, durch die Masse hoben meine Füße vom Boden ab", sagt er. Erst, als sie es aus dem Gedränge heraus geschafft hatten, wurde den jungen Leuten aus Xanten klar, wie dramatisch die Situaton wirklich war - und dass ihre Todesangst absolut berechtigt war.

Lukas aus Krefeld-Elfrath steckte in der Menschenmenge fest, als die Panik ausbrach. Der Jugendliche beobachtete dramatische Szenen. "Das war unglaublich, die Menschen sind reihenweise umgekippt. Eine Frau sagte zu mir: ,Halte mein kleines Kind, ich falle gleich um!'", berichtet Lukas. Der Jungendliche und die zwei Freunde, mit denen er unterwegs war, wurden bis auf einige Prellungen nicht verletzt. Auch Olaf Johann hatte Glück im Unglück: Der 39-jährige Monheimer wurde bei der Massenpanik beinahe zerquetscht. Jetzt liegt er mit verbundenem Bein in einem Monheimer Krankenhaus. Die Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Auch der Leverkusener Jan Reusch erlebte die Katastrophe aus der Nähe mit: Er stand in einem der Tunnel, als die Panik ausbrach." Zum Glück für uns war das nicht der ganz enge", berichtet er. Doch was sich an der anderen Röhre anbahnt, kann der 20-Jährige von seinem Platz aus ansatzweise verfolgen. "Da waren zehn- bis zwanzigtausend Leute zusammengepfercht. Wir haben uns da schon gedacht: Das kann doch einfach nicht gutgehen." Jetzt erhebt der Gerüstbauer schwere Vorwürfe gegen die Planer der Veranstaltung: "Das war eine Katastrophe mit Ansage", sagt er.

Für eine Familie aus Krefeld ist die Angst noch immer nicht ausgestanden: Ihr 22-jähriger Sohn ist seit Samstag vermisst. Er war mit vier Freunden zur Loveparade gefahren, nur vier von ihnen kamen zurück. Zwar weiß die Familie inzwischen, dass er nicht unter den 19 Todesopfern ist. Doch von dem jungen Mann fehlt jede Spur. Die Eltern vermuten, dass er schwer verletzt in einem Krankenhaus liegt.

(jco/kats)
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