Duisburg Keine Ruhe am Problemhochhaus

Duisburg · Immer wieder muss die Polizei zu der Adresse In den Peschen 3-5 ausrücken. Am Mittwoch zum Beispiel stellte sie dort gestohlene Fahrräder sicher, während die Bewohner andere Drahtesel von ihren Balkonen warfen.

Derzeit sollen es rund 1400 Rumänen und Bulgaren sein, die allein in der Bergheimer Wohnlage an der Straße In den Peschen leben. Genau weiß das keiner, angeblich nicht einmal der Vermieter. Denn die Leute, die sich bekanntlich nicht anmelden müssen, kommen und gehen. Täglich (manchmal mehrmals) versuchen die Wirtschaftsbetriebe, den Müllbergen Herr zu werden. Die aufgestellten Container reichen trotz ihrer großen Zahl nicht aus. In den Tonnen findet sich bisweilen auch ziemlich Ekliges wie Überreste von geschlachteten Tieren. Es kursieren Gerüchte, dass ein Fernsehmechaniker, der die Hausantenne richten sollte, unversehens einigen (lebendigen) Schafen gegenüber stand, die auf dem Hochhausdach gehalten wurden.

Die Bewohner danach zu fragen, ist unmöglich. Wer das verdreckte und verschmierte Treppenhaus betritt und nicht dazu gehört, wird im günstigsten Fall nur beschimpft und bespuckt, im schlimmsten mit Kot beworfen. "Wir essen auf dem Dach, ja. Aber Tiere haben wir da nicht", sagt ein Mann in den Dreißigern und flüchtet dann vor jeder Nachfrage. Er und seine Leute wollen raus aus den Schlagzeilen. Aber sie liefern den Stoff dazu immer wieder aufs Neue. Wohl keine Nachbarkommune von Duisburg hat nicht schon Erfahrung mit den Bewohner von "In den Peschen 3-5" gemacht.

Diese Adresse geben beispielsweise rumänische und bulgarische Kinder an, wenn sie Kunden an Geldautomaten überfallen und erwischt werden. Diese Adresse haben auch Neu-Einreisende bei sich. Ein privater Fernsehsender berichtete jüngst aus einer rumänischen Region, aus der viele der hier Lebenden stammen. Ein Vater von 20 Kindern verkündete darin, dass er wegen des deutschen Kindergeldes auf jeden Fall bald ausreisen werde, und zwar nach Duisburg. Von dem Kindergeld könne seine Familie dort gut leben, hätten ihm Bekannte versichert.

Diejenigen in Duisburg, die versuchen, an die Rumänen und Bulgaren heranzukommen und ihnen bei der Integration zu helfen, haben eine schwierige Aufgabe. Nicht einmal ein Viertel der Hochhausbewohner habe Interesse an diesem Angebot, heißt es bei der Polizei, die ständig dorthin gerufen wird. So zum Beispiel am Mittwoch dieser Woche.

Ein 62-jähriger Anwohner hatte die Beamten alarmiert. Er habe beobachtet, wie mehrere Kinder und Jugendliche aus seiner Garage Fahrräder stehlen und in Richtung In den Peschen verschwanden, erzählte er der Polizei. Danach begleitete er die Beamten zu dem Problemhochhaus und erkannte dort einen 15-Jährigen als einen der Täter wieder. Es gab eine Rangelei mit dem Vater des Jungen. Doch der 62-Jährige konnte sein Fahrrad wieder mit nach Hause nehmen. Vater und Sohn werden nun eine Strafanzeige bekommen — wenn sie dann noch in dem Haus wohnen! Und selbst dann müssen sie nicht all zu viel Ungemach befürchten.

Bei diesem Einsatz entdeckten die Polizisten weitere neuwertige Fahrräder, die im Hausflur standen. Offenbar hatte sich aber der Einsatz zwischenzeitlich im Gebäude herumgesprochen. Plötzlich flogen von einigen Balkonen andere Drahtesel in den Hof der Wohnanlage. "Vielleicht haben die Leute befürchtet, wir würden auch ihre Wohnungen durchsuchen und dann bei ihnen das Diebesgut finden", vermutet ein am Einsatz beteiligter Beamter. Denn dass die Fahrräder geklaut worden sind, darauf deutet eine Menge hin. Als die Beamten die Räder einsammelten und zur Überprüfung zur Wache bringen wollten, erkannte ein zufällig vorbekommender Passant eines der Räder als das seine wieder.

Wie "geladen" die Stimmung in und rund um das Haus ist, macht die Tatsache deutlich, dass die Polizei oft nicht nur mit einem Streifenwagen ausgerückt. An der Aktion am Mittwoch beispielsweise waren die Mannschaften von insgesamt acht Einsatzfahrzeugen sowie einem Diensthund beteiligt.

Wie traurig die Situation auf der anderen Seite ist, macht eine Momentaufnahme aus dieser Woche deutlich. Ein kleines Kind, zwei Jahre vielleicht, saß unbekleidet im verdreckten Hinterhof des Gebäudekomplexes. In den Händen hielt es einen Spielzeugbagger, die Schaufel war abgerissen und die Räder fehlten. Um das Kind herum türmte sich der Müll. Und die Perspektivlosigkeit. Die Adresse "In den Peschen 3-5" ist nicht nur ein Tatort. Sie ist ein Versprechen, dass nichts wirklich besser wird.

(RP)
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