Duisburg Lale Akgüns köstliche Integration im Reichstag

Duisburg · Fortsetzungen halten selten das, was der erste Teil versprochen hat. Bei Lale Akgün ist das anders, denn "Der getürkte Reichstag, Tante Semras Sippe macht Politik" ist fast ebenso klug und witzig, wie "Tante Semra im Leberkäseland", das die Autorin vor zweieinhalb Jahren hier vorgestellt hatte.

Auch jetzt war die Zentralbibliothek wieder gut gefüllt.

Familientreffen als Dorfcafé

Bekanntlich saß Lale Akgün von 2001 bis 2009 für die SPD im Deutschen Bundestag. Und wer Tante Semra und ihre Sippe kennt, konnte sich ja schon denken, dass die ganze Familie regen Anteil an ihrem neuen Leben nahm. "Dorfcafé" nennt die Ich-Erzählerin die freitäglichen Familien-Zusammenkünfte im heimischen Köln, wenn sie die neuesten Anekdoten aus Berlin erzählt - so wie früher die Wanderarbeiter aus Anatolien, die ihre Erlebnisse in der großen weiten Welt eben im Dorfcafé zum Besten gaben.

Im Reichstag war die gebürtige Türkin natürlich erstmal eine Exotin. Und die Fraktionskollegen wunderten sich, dass ihr Mann sie so ganz alleine ohne Kopftuch in die Hauptstadt gehen ließ. Doch die Genossen erkannten schnell, was "gelungene Integration" bedeutet, und so reiste die Roman-Lale mit langen Wunschlisten in den Türkeiurlaub, um ihnen preisgünstiges Viagra zu besorgen - blaue Pillen für rote Genossen.

Halb wahr, halb erfunden

In ihrem nach eigener Aussage halb wahren, halb erfundenen Buch gibt es wieder einige köstliche Passagen. Zum Beispiel die Szene im Ägäis-Badeort Cesme: "Es war Urlaubszeit und in der Apotheke ging es zu wie in einem Bienenkorb. Der Apotheker begrüßte uns mit großen Hallo: ,Jetzt schaut doch mal, wer in meine Apotheke kommt', sagte er laut, ,dieses Kind kenne ich, da hat sie noch in die Hose gemacht, und jetzt hat sie es bis zur Abgeordneten in Deutschland gebracht. Wir sind alle mächtig stolz auf sie.' Alle Köpfe, die türkisch verstanden, drehten sich zu mir um. Ein wunderbarer Zeitpunkt, um nach Viagra zu fragen."

Lale Akgüns oft ironische Formulierungskunst und Menschenliebe sind womöglich noch treffender geworden. Und das Schreiben fällt ihr leicht, wie sie dem zufriedenen Duisburger Publikum erklärte: "Wenn Sie erst einmal die Struktur festgelegt haben, dann klappen Sie den Laptop auf und die Figuren reden schneller, als Sie das aufschreiben können."

(hod)
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