"Problemhaus" in Duisburg-Bergheim Steinbrück: Druck auf EU-Kommission ausüben

Duisburg · Der SPD-Kanzlerkandidat suchte den Dialog mit An- und Bewohnern des Hochhauses "In den Peschen".

Peer Steinbrück besucht Roma-Haus in Duisburg
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Als Peer Steinbrück aus seinem schwarzen Mercedes aussteigt, ist der Müll verschwunden. Das "Problemhochhaus" hat sich herausgeputzt für den Besuch des SPD-Kanzlerkandidaten. Bereits am Montag sei der Unrat in großen Säcken abtransportiert worden, berichten Anwohner: "Wenn die Straße gesäubert wird, ist das immer ein sicheres Zeichen dafür, dass entweder die Politik oder das Fernsehen im Anmarsch ist." Die Probleme sind geblieben. Und die bekommt Steinbrück sehr deutlich mitgeteilt.

Der Kanzlerkandidat sucht in Wahlkampfzeiten auch die eher unbequemen Gespräche. Wie in Bergheim, wo Steinbrück den sorgsam vorbereiteten Dialog mit Parteigenossen sowie An- und Bewohnern der "Problemhäuser" unter Ausschluss der Presse führt. Hinterher wird es heißen, der Austausch sei "konstruktiv" gewesen. Die Bewohner hätten den Wunsch geäußert, nicht pauschal verurteilt zu werden; die Anwohner hätten die nächtlichen Ruhestörungen moniert.

"Schwächste Glied ist am stärksten betroffen"

Wie schlimm die Lage tatsächlich ist, will Steinbrück dann mit eigenen Augen sehen. Samt Entourage macht sich der 66-Jährige zu einem Rundgang durch das Hochhaus auf. Erst danach ist Zeit für druckreife Stellungnahmen: "Das schwächste Glied ist am stärksten betroffen, und das sind die Anwohner und Kommunen." Der Bund müsse auf die Europäische Kommission Druck ausüben, damit die Probleme in den Heimatländern der Bewohner gelöst werden. Außerdem sei der Bund verpflichtet, die Kommunen zu unterstützen. Steinbrück wirbt für Toleranz. Aber: "Diejenigen, die straffällig werden, müssen nach deutscher Rechtsprechung bestraft werden."

Kurz zuvor war der SPD-Mann nicht ganz so eloquent aufgetreten. Als Steinbrück während des Gruppengesprächs auf die Transferleistungen angesprochen wird, die den Bewohnern des Hauses ab 2014 zustehen, ist der Kanzlerkandidat angeblich erstaunt. Das Unwissen ruft Kopfschütteln bei einigen Gesprächsteilnehmern hervor — sie berichten später davon.

Überhaupt fallen die Reaktionen auf Steinbrücks Besuch gemischt aus. "Man muss natürlich Abstriche machen, weil es eine Wahlkampfkampagne ist. Aber er hat aufmerksam zugehört", bilanziert Anwohner Hans-Wilhelm Halle. Dies bestätigt auch Siegfried Tiedt: "Herr Steinbrück hat unsere Probleme verstanden. Er hat zugesichert, dass die Probleme angepackt werden. Es bleibt aber abzuwarten, ob tatsächlich etwas passiert."

Lärm sei "unerträglich"

Anwohner, die bei den Gesprächen im Haus selbst nicht anwesend sind, sehen im Besuch des Kanzlerkandidaten nur ein Wahlkampfmanöver. "Das macht der doch nur, um Wählerstimmen zu bekommen", sagt Vincenzo Sicurello. Karin Sommer ärgert sich über den aus ihrer Sicht fehlenden Bezug zu den wahren Problemen: "Wenn Herr Steinbrück die Realität sehen möchte, soll er abends kommen." Der Lärm sei "unerträglich".

Tatsächlich hat sich die Lage in Bergheim aus Sicht der Anwohner nicht wesentlich verändert. "Das ist nicht mehr unsere Straße", sagt Dieter Kröger. Seit 35 Jahren lebt er mit seiner Frau in der Hochparterre-Wohnung an der Beguinenstraße, vom Balkon blickt er direkt auf die Rückseite des Hochhauses. "Ständig gibt es Krach, die Bewohner schmeißen ihren Müll einfach auf die Straße", sagt Kröger. Ein Nachbar tritt hinzu, den Hund an der Leine: "Wenn es nach mir ginge, würde der Steinbrück selbst in das Haus einziehen. Dann wäre das Problem wohl schnell gelöst."

Doch Steinbrück muss weiter. Und so ist kurzfristig an der Ecke Beguinenstraße/In den Peschen keine positive Entwicklung zu erwarten. Das glauben selbst die nicht, die an einer Verbesserung arbeiten. Veronika Borgovan vom Verein Zukunft Orientierte Förderung (ZOF) zum Beispiel. Sie ist selbst Rumänin, spricht die Sprache der Bewohner und hilft, wo sie kann. Verbessert habe sich nicht viel, sagt Borgovan. Immerhin: "20 Kinder gehen mittlerweile zur Schule." Der Großteil der geschätzt 200 Kinder verbringt seine Tage aber immer noch auf der Straße oder in den überfüllten Wohnungen.

"Problemhochhaus" sei kein Schwerpunkt mehr

Aus Sicht der Polizei hat sich die Situation allerdings etwas entspannt. Das "Problemhochhaus" sei kein Schwerpunkt mehr, sagt Polizeisprecher Stefan Hausch. Was nicht bedeutet, dass die Beamten nicht trotzdem regelmäßig nach Rheinhausen fahren. Das Problem: "Durch die große Fluktuation sind Personen häufig nicht mehr anzutreffen", berichtet Hausch aus dem Polizeialltag. Auch die vor dem Haus parkenden Pkw mit britischem Kennzeichen sind aus Sicht der Polizei ein Ärgernis. Denn die ausnahmslos rumänischen Bewohner kaufen die Fahrzeuge tatsächlich in England, wo das Kennzeichen ans Fahrzeug, nicht aber an den Fahrzeughalter gekoppelt ist. Geht die Duisburger Polizei Hinweisen auf diese Pkw nach, läuft sie ins Leere: "Den Halter zu ermitteln, ist praktisch unmöglich."

(RP/anch/sgo/csi)
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