RP-Serie Bedeutende Duisburger Demokraten Vertreter des anderen Deutschland

Duisburg · August Seeling, der von 1948 bis 1969 Duisburgs Oberbürgermeister war, entging nur knapp dem Schicksal vier Duisburger Gewerkschafter, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Vor 80 Jahren am 2. Mai 1933, weniger als 100 Tage nach Beginn der Hitler-Herrschaft, erfolgte in Duisburg wie in anderen Städten, die Verhaftung der Gewerkschaftsfunktionäre in ihren Wohnungen oder – wie bei August Seeling – am Arbeitsplatz im Büro der Gewerkschaft. Vier der Duisburger Männer wurden noch am gleichen Tage ermordet, die anderen für mehrere Tage in Arrestzellen gesteckt. Im folgenden soll die Erinnerung an August Seeling, dem späteren langjährigen Oberbürgermeister von Duisburg, im Mittelpunkt stehen.

August Seeling wurde am 19. Mai 1906 in der Nähe des Duisburger Rathauses geboren. Nach Volksschule und kaufmännischer Lehre war er zunächst Verkäufer in einer Eisengroßhandlung. 1929, im Alter von 23 Jahren, wurde er Geschäftsführer der Duisburger Niederlassung des "Zentralverbandes der Angestellten", einer deutschlandweiten Gewerkschaft. 1924 war er der sozialdemokratischen Partei beigetreten und schon seit 1921 aktiv in der Jugendbildungsarbeit und Kulturtätigkeit.

Nach seiner Verhaftung als Gewerkschafter am 2. Mai 1933 wurde August Seeling zunächst in das Gewerkschaftshaus gefahren, das sich auf der Ruhrorter Straße befand. Hier traf er auf die anderen verhafteten Gewerkschaftsfunktionäre, von denen vier bald abgeführt und erschlagen wurden. Die anderen, unter ihren August Seeling, mussten nach einigen Stunden vor dem Haus antreten und wurden nach dem Kommando "Im Laufschritt, marsch, marsch" eineinhalb Stunden durch mehrere Straßen getrieben, die stellenweise von schweigenden Menschen gesäumt waren. Einigen gehetzten Gewerkschaftern hatte man zuvor ein großes Schild umgehängt mit der Aufschrift "Wir haben die Arbeiter verraten". Endpunkt war das Polizeipräsidium auf der Düsseldorfer Straße. Hier wurden sie vier Tage in Arrest gehalten und danach entlassen. August Seeling und die anderen Gewerkschaftssekretäre kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück und waren dort unter den Befehlen der Hitler-Aufseher bis zur Auflösung aller Gewerkschaften am 30. Juni 1933 tätig.

1935 fand August Seeling eine neue, kaufmännische Arbeitsstelle. Er wurde Angestellter bei einem bekannten Duisburger Bauunternehmen. 1971, also mit 65 Jahren, wurde hier der Prokurist August Seeling mit Dank in den Ruhestand verabschiedet. Doch die Bedeutung von August Seeling liegt auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet.

1946, bei der ersten Wahl in Duisburg nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde er zum SPD-Ratsherr in den Stadtrat gewählt, im Oktober 1948 wurde er erneut Ratsherr und am 9. November 1948 wählte ihn der Rat der Stadt zum Oberbürgermeister. Bei allen folgenden Wahlen wurde August Seeling erneut zum Ratsherrn und anschließend zum Oberbürgermeister wiedergewählt, bis er 1969, 21 Jahre nach seiner ersten Wahl, das Amt abgab.

21 Jahre Vorsitzender des Stadtrates und oberster Ansprechpartner und Repräsentant der Stadt, die zu Beginn, 1948, noch durch Kriegstrümmer und vielfältige menschliche Not gekennzeichnet war und 1969, am Ende der Amtszeit, sichtbar im "Wirtschaftswunder" und manchem Kulturwunder lebte! Tausende Ereignisse könnten davon erzählen, wie August Seeling Einfluss nahm, nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Ehrenämtern. Auch als er 70 und älter als 80 Jahre alt war, erlebten ihn die Bürgerinnen und Bürger als Teilnehmer zahlreicher und vielfältiger Veranstaltungen, immer freundlich und den Menschen zugetan. August Seeling starb am 14. August 1998, 92 Jahre alt. Noch heute ist er populär und wird von vielen der älteren Generation verehrt. August Seeling war in der Zeit der Nationalsozialisten ein Vertreter des anderen Deutschland.

Autor Harald Stecker ist Mitglied der "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Duisburg - Mülheim - Oberhausen e.V." Oberbürgermeister August Seeling war Schirmherr der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

(RP)
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