Duisburg Viel zu spät informiert

Duisburg · Wegen des Brandes und der dichten Rauchwolken blieben gestern viele Kinder zu Hause. Die anderen saßen bis zum Nachmittag in Kindergarten oder Schule fest. In Mündelheim blieben auch einige Mütter in der Grundschule. Die B 288 über die Rheinbrücke war stundenlang gesperrt.

Das Schild "Rauchfreies Gebäude", das an den Eingängen von Duisburger Schulen hängt, hatte gestern eine ganz besondere Bedeutung: Aus Sicherheitsgründen hatte der Krisenstab der Stadt Duisburg beschlossen, dass alle Kinder bis 14 Uhr in den Schulen und Kindergärten bleiben sollen. Auch in den Pausen sollten sie nicht nach draußen.

Nicht nur Kinder saßen gewissermaßen fest. In der Mündelheimer Grundschule warteten auch drei Mütter. Sylvia Sennert-Piras, Nicole Koffer und Helga Esperschidt waren am Morgen in die Schule gekommen, um ihre Kinder abzuholen, weil sie gehört hatten, die Schule sei wegen des Großbrandes geschlossen. Ihnen wurde geraten, bis zur Entwarnung im Gebäude zu bleiben. Erst als Meldungen kamen, dass die Rauchwolke vermutlich ungiftig sei, wurde die Stimmung bei den drei besorgten Frauen besser. In der Mündelheimer Grundschule blieb etwa jeder zweite Schüler wegen der Rauchwolke zu Hause. Viele Eltern hätten, so Hausmeister Dirk Rahmacher, der ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Mündelheim arbeitet, in der Schule angerufen, um zu fragen, was sie angesichts der riesigen Rauchwolke tun sollten. Einige Eltern seien offenbar überfordert gewesen und brachten trotz voller Rauchentwicklung ihre Kinder zu Schule mit dem Hinweis, dass in Deutschland Schulpflicht herrsche.

Zur Sicherheit nach Kleve

Die Mutter einer Schülerin in Buchholz war indes so beunruhigt, dass sie ihre Tochter aus der Schule holte, um mit ihr nach Kleve zu fahren, wo sie außerhalb der Reichweite der Wolke seien. "Ich möchte keine Gesundheitsschäden für mein Kind riskieren. Jetzt gehen wir nur kurz zum Auto, dann sind wir schnell weg aus der Gefahrenzone", sagte die sichtlich besorgte Mutter.

Während auf der Buchholzer Einkaufsmeile Münchener Straße nahezu der gleiche Betrieb herrscht wie an jedem anderen Werktag, war der Nettoladen in Mündelheim, der einzige Nahversorger im Ort, am Morgen nahezu menschenleer. Erst in den Mittagsstunden, als vorsichtig "Entwarnung" gegeben wurde, kamen vereinzelt Kunden. Auch Armin Rentel und Heidi Stein vom Tierschutzverein "Pfotenhilfe" wagten sich erst später vor die Türe, um ihre Hunde in den Rheinwiesen auszuführen. Die Polizisten an der Mündelheimer Kreuzung vor der Rheinbrücke mussten bis zur Aufhebung der Straßensperrung immer wieder Autofahrer darüber aufklären, wie sie nach Krefeld fahren können. Das ging nur mit einem großen Umweg: über die A 3, dann über die A 44. Die Rheinbrücke war gestern viele Stunden lang wegen des dichten Qualms abgeriegelt. Und auch die A 524/B288 war bis in den späten Nachmittag gesperrt. Dadurch kam es auf einigen innerstädtischen Straßen zu erheblicher Verkehrsbelastung.

Live-Ticker

Eine Duisburger Leserin von RP-Online, die in der Nähe des Brandortes wohnt, bedankte sich, dass sie per Live-Ticker auf dem Laufenden gehalten wurde. Als sie durch die Internet-Ausgabe der RP vom Feuer und der Empfehlung, Fenster und Türen geschlossen zu halten, erfuhr, sei sie sofort nach Hause gefahren, um die Fenster zu schließen. Die Wohnung habe aber schon stark nach Rauch gestunken, der in den Augen biss. "Eine von meinen vier Rennmäusen hat dies nicht überlebt", so die junge Frau.

Kritik an fehlenden Infos

Willi K.J. Holtwick aus Ungelsheim hatte morgens seinen Hund ausgeführt und kam gerade aus der Dusche, als er die schwarze Wolke sah. Doch im Radio hörte er nichts. Auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz versuchte er zunächst vergebens, sich erneut über die Ursache für den Qualm zu informieren. Fast eineinhalb Stunden nach Ausbruch des Feuers gelang ihm dies. "Bei einem vergleichbaren Szenario bei einem Störfall an der geplanten CO-Pipeline können wir den Grund unseres Ablebens zeitnah in den ewigen Jagdgründen über die aktuelle — das ich nicht lache — Berichterstattung im Radio erfahren. Ich fasse es nicht!"

Und ähnliche Erfahrungen mit fehlenden Informationen machte gestern Vormittag auch Mario Kreckler, der nahe des Landhauses Milser wohnt. "Ich hörte verschiedene Radiosender. Eine Warnung der Bevölkerung erfolgte nicht. Das ist ein Skandal", empört er sich und fordert, künftig in Gefahrensituationen rechtzeitig gewarnt zu werden.

(RP)
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