NRW-Landtag Warten auf Sauerland

Die Wochen ziehen dahin, und die Fragen werden nicht weniger. Schon mehr als einen Monat ist es her, dass bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen starben. Bisher weisen sich die Veranwortlichen die Schuld scheinbar gegenseitig in die Schuhe. Heute blickt die Öffentlichkeit gespannt auf den Düsseldorfer Landtag. Dort wird sich ab 15 Uhr Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland den Fragen stellen.

Loveparade: Planer und Kritiker
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Im Innenausschuss des Parlaments wird Sauerland Fragen zu dem Unglück beantworten müssen. Immer wieder stand er in den vergangenen Wochen in der Kritik. Er solle die Verantwortung übernehmen und sein Amt räumen, hieß es von vielen Seiten. Sauerland hatte dies stets ablehnt. Denn nach seiner Ansicht liegt die Verantwortung für das Unglück nicht bei der Stadt.

Das sollte auch ein Gutachten belegen, dass die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Am Mittwoch wurde der Abschlussbericht bekannt. Der Inhalt: Die Stadt sei für die Sicherheit der Veranstaltung nicht zuständig gewesen. Zu einem anderen Schluss kommt ein zweites Gutachten, dass das Innenministerium in Auftrag gegeben hatte. Darin heißt es, die Sicherheit habe in der Verantwortung der Stadt gelegen.

Möglicherweise "Kommunikationsprobleme"

Aus dem Bericht des Innenministeriums für den Landtag geht jedoch auch hervor, dass möglicherweise "Kommunikationsprobleme" bei der Polizei mit für die Loveparade-Katastrophe verantwortlich waren. Die "Vorlage 15/50" wird heute bei der Sitzung des Innenausschusses des Landtags verteilt. Es handelt sich um die Antworten von NRW-Innenminister Ralf Jäger auf die kritischen Fragen der Parteien zur Loveparade-Katastrophe.

Der Bericht, der unserer Redaktion vorab vorliegt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Stadt Duisburg und der Veranstalter wichtige Zusagen nicht eingehalten haben. Die "Vorbemerkungen" enden jedoch auch mit einer kritischen Frage an die Polizei. Beamte hätten sich "zu den relevanten Zeiten an den Vereinzelungsanlagen" befunden, heißt es im Bericht.

Sie hätten aber nicht darauf hingewirkt, "dass diese von den Ordnern — wie vom Veranstalter verbindlich zugesagt — durchgehend geschlossen" wurden. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kommunikationsprobleme hierfür ursächlich waren", stellt der Bericht des Ministeriums fest.

Damit wird nunmehr offiziell eingeräumt, dass es auch beim Polizeieinsatz bei der Loveparade Pannen gegeben hat. Thomas Stotko, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, erklärte gestern, es sei nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zu klären, wann die Polizei hätte eingreifen müssen. "Das schreckliche Ereignis hätte nicht passieren müssen, wenn alle Verantwortlichen ihre Arbeit gemacht hätten", betonte Stotko.

Kritik vom Opfer-Anwalt

Zwei Gutachten, zwei unterschiedliche Meinungen - und keines kann den Hinterbliebenen glaubhaft vermitteln, wie es zu dem Unglück kam. Denn wieder einmal schiebt jeder dem anderen die Schuld in die Schuhe. Und so bleibt bei ihnen ein bitterer Beigeschmack zurück.

Auch Opfer-Anwalt Gerhart Baum kritisiert die wechselseitigen Schuldzuweisungen. "Die Menschen, die betroffen sind, sind geradezu angewidert von dem Versuch der Beteiligten, jegliche Verantwortung von vornherein von sich zu weisen", sagte er im "Deutschlandradio Kultur". Sie stünden fassungslos vor der Tatsache, dass niemand für die Toten und Verletzten verantwortlich sei.

Die Frage der Verantwortung wird der Innenausschuss wohl nicht abschließend klären können. Dennoch könnte er ein wenig mehr Licht ins Dunkel bringen. Im Gegensatz zu Sauerland wird sich Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller nicht dem Ausschuss stellen. Seine Lopavent-Veranstaltungsagentur schickt lediglich zwei Vertreter.

Schaller sagt TV-Abtritt ab

Da Schaller selbst nicht erscheint, wundert auch nicht seine Absage eines Fernsehinterviews. Eigentlich sollte der Geschäftsmann am Abend in der Talkshow von Johannes B. Kerner zu Gast sein. Dies hat er heute abgesagt. Kerner hatte im Vorfeld angekündigt, es werde keine Tabus geben, und hatte sogar die Zuschauer aufgefordert, Fragen zu schicken.

Ob ein solches Interview aber tatsächlich mehr Aufschuss über die Ereignisse gegeben hätte, ist fraglich. Je mehr Dokumente und Gutachten auftauchen, umso undurchsichtiger wird die Lage für die Öffentlichkeit. Selbst die Veröffentlichung der Videos durch Schaller brachte kaum neue Erkenntnisse.

So bleibt nur die Erkenntnis, dass die Ermittlungen noch Monate andauern werden. Und für die Betroffenen und Hinterbliebenen die Hoffnung, dass eines Tages doch noch geklärt werden kann, wie es zu dem Unglück kam — und vor allem, wer letzlich die Verantwortung dafür übernehmen muss.

(das/csi)
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