Die Loveparade-Katastrophe Auf die Schuldfrage gibt es weiter keine Antwort

Duisburg · Mit der Abwahl Sauerlands ist die Frage der politischen Verantwortung für Loveparade-Katastrophe beantwortet. Die Opfer verlangen nun Antwort auf die schwerwiegendere Frage nach der Schuld.

Juli 2011: Angehörige gedenken Opfer der Loveparade
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Juli 2011: Angehörige gedenken Opfer der Loveparade

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Als Michaela Schmitz am Sonntagabend die Abwahl Adolf Sauerlands verfolgte, sagte sie zu ihrem Mann: "Das ist das beste Geburtstagsgeschenk für mich, wenn ich morgen früh die Zeitung aufschlage und lese, dass er weg ist. Das ist immerhin ein kleiner Sieg für die Gerechtigkeit." Gestern ist die Mönchengladbacherin 37 Jahre alt geworden. Sie gehört zu den Überlebenden, die am 24. Juli 2010 hilflos in dem Knäuel aus Körpern vor Treppe an der Rampe lagen und Menschen sterben sahen.

Immer häufiger erlebt die einst so fröhliche junge Frau, dass Menschen in ihrer Umgebung nicht verstehen, wieso es ihr nicht endlich besser geht. Warum sie im Gegenteil immer labiler wird, nicht mehr zur Borussia ins Stadion gehen oder bloß einen Aufzug benutzen kann. Warum ihr Mann einen Erste-Hilfe-Kursus nicht schafft, bei dem leblose Puppen reanimiert werden sollen. Dass sie erklären soll, warum sie sich so anstellt.

Die politische Entscheidung zur Abwahl von Oberbürgermeister Sauerland dürfe nicht den Blick dafür verstellen, dass damit nicht festgestellt sei, wer neben der Stadt wirklich die Verantwortung für die Katastrophe trage, so gestern die Opferanwälte Gerhart Baum und Julius Reiter gegenüber unserer Zeitung: "Aus unserer Sicht tragen alle Beteiligten Verantwortung: die Stadt, der Veranstalter und das Land Nordrhein-Westfalen. In welchem Maße diese Verantwortung einzelne Personen und Organisationen trifft, muss so schnell wie möglich festgestellt werden. Das fordern die von uns vertretenen 86 Betroffenen nachdrücklich ein."

Für viele Betroffene, denen es teils weit schlechter geht als Michaela Schmitz, ist jetzt entscheidend, dass die strafrechtliche Schuld festgestellt wird — und mit ihr letztlich auch, wer für die abzusehenden Spätfolgen der Loveparade zahlen muss. Seit einem Jahr steht der Kreis der juristisch zu belangenden Personen weitgehend fest: Im bis heute unter Verschluss gehaltenen Zwischenbericht vom Januar 2011, den unsere Redaktion im Sommer öffentlich machte, macht die Staatsanwaltschaft 16 Beschuldigte, inzwischen sind es 17, für die Katastrophe verantwortlich: Zwei sind Polizisten, vier sind Beschäftigte des Veranstalters Rainer Schaller, die übrigen elf Beamte und Beschäftigte der Duisburger Stadtverwaltung.

Unverändert sollen der abgewählte Oberbürgermeister Adolf Sauerland und Veranstalter Rainer Schaller nicht zu den Beschuldigten gehören. Das neue Gutachten des britischen Panik-Forschers (siehe Seite A 1) soll nach RP-Informationen die bisherigen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft deutlich untermauern.

Dies belastet zum einen die beschuldigten Mitarbeiter des Rathauses und des Veranstalters. 2011 kamen die Ermittler zu dem Ergebnis, dass die städtische Genehmigung für die Loveparade rechtswidrig gewesen sei. Hauptbeschuldigte im Rathaus sind zwei Dezernenten, von denen einer sich im Vorfeld der Veranstaltung laut des Berichts für nicht zuständig zu erklären versuchte. Dem anderen wird vorgeworfen, die Voraussetzungen für einen Rechtsbruch geschaffen zu haben.

Vor allem bliebe es aber bei den den Beschuldigungen gegen zwei Polizisten, darunter den verantwortlichen Einsatzleiter. Sie sollen nicht rechtzeitig und entschlossen genug gehandelt haben. Dem damaligen Leitenden Polizeidirektor hielten die Ermittler vor, er hätte sich weit früher um eine Entschärfung der Lage bemühen müssen. Die Staatsanwälte sind laut des Berichts überzeugt, dass die Katastrophe trotz der Fehler, die Rathaus- und Veranstalter-Mitarbeitern bei der Planung vorgeworfen werden, von der Polizei hätte verhindert werden können.

Mindestens einem der beiden beschuldigten Polizisten wird pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen. Würden Polizisten in Rahmen eines Strafverfahrens verurteilt, käme das Land nicht mehr darum herum, sich an der Entschädigung der Opfer zu beteiligen.

(RP/csi/das/pst)
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