Flüchtlingsunterkunft in Rees am Niederrhein Asylbewerber droht mit Selbstverbrennung

Rees · Die Lage in der Flüchtlingsunterkunft in Rees am Niederrhein eskaliert. Ein Libanese droht mit Selbstmord, sollten sich die Lebensumstände im Asylbewerberheim nicht ändern. "Das hier sind Umstände für Tiere, nicht für Menschen", klagt eine junge Mutter. Ein Angestellter soll bedroht worden sein.

 Die 34-jährige Manal S. im Flur ihres Wohncontainerblocks. Auf dem Arm trägt sie ihre jüngste Tochter.

Die 34-jährige Manal S. im Flur ihres Wohncontainerblocks. Auf dem Arm trägt sie ihre jüngste Tochter.

Foto: Stade

Die 34-jährige Manal S., Mutter von vier Kindern, ist mit ihrer Kraft am Ende, aber sie will reden. "Lassen Sie die Leute wissen, was hier mit uns passiert", fordert sie und schluchzt laut auf: "Das hier sind Umstände für Tiere, nicht für Menschen. Es ist eine schreckliche, schreckliche, schreckliche Situation." Und sie sagt: "Ich kann nicht ertragen, dass meine Kinder in diesen Containern aufwachsen."

Zuvor hatte ihr Ehemann, der 36-jährige Adnan M., bei einem Besuch von Politikern und Aktiven der Reeser Initiative "Fremde werden Freunde" damit gedroht, sich umzubringen. Er ertrage die Lebensumstände im Asylbewerberheim am Melatenweg nicht mehr.

Er werde sich binnen der nächsten vier Wochen verbrennen, wenn sich nichts ändere. Die Besucher riefen die Polizei. Adnan M. wurde auf der Wache befragt, dann in ein Krankenhaus gebracht. Bis Dienstagabend kam er nicht zurück.

Die Familie stammt aus dem Libanon. Die Kinder sind 13, acht, sieben und ein Jahr alt. Manal S. spricht kaum Deutsch, aber Englisch. Wegen der politischen Lage sind sie aus ihrer Heimat geflohen: "Hätten wir im Libanon keine Probleme gehabt, wären wir nicht hier. Und hier sterben wir jetzt langsam."

Streit schwelt schon lange

Die Klagen über die Bedingungen im Reeser Asylbewerberheim sind nicht neu. Ein Streit zwischen den Flüchtlingen und ihren Unterstützern mit der Stadtverwaltung schwelt schon lange. Die Container sind eng, stickig, im Sommer viel zu heiß, die Atmosphäre ist bedrückend. Zwar werden die Unterkünfte derzeit für 100.000 Euro saniert, die Bewohner beklagen die Zustände dennoch als unzumutbar. Der Beigeordnete der Stadt Rees, Andreas Mai, äußerte sich zurückhaltend zu dem Geschehen. "Ich kann nicht verstehen, dass der Mann aus dem Container ausziehen und in eine Wohnung verlegt werden will", so Mai. Die Familie habe 75 Quadratmeter zur Verfügung: "Sie bewohnt drei Container mit jeweils 25 Quadratmetern. Die Eltern schlafen in einem Container, die Kinder im zweiten. Der dritte wird als Wohnzimmer genutzt." Mai führte aus, dass er eine Radikalisierung der Asylsuchenden beobachtet habe. Unabhängig von der Selbstmorddrohung, die er als reine Nötigung empfindet. So habe Adnan M. bei der Polizei angegeben, dass er mit der Dauer seines Asylverfahrens nicht einverstanden sei: "Das Asylbefahren liegt nicht in unserer Hand, sondern ist Bundesangelegenheit", stellte Mai fest.

Mai schilderte, dass Asylbewerber vor wenigen Tagen den Angestellten im Lebensmittel-Shop, der sich auf der Anlage am Melatenweg befindet, bedroht und zu Boden geworfen hätten. Der Mann hatte, so Mai, nur noch jeweils drei Personen in den Shop gelassen, nachdem ihm zuvor zahlreiche Diebstähle aufgefallen seien. Mehrere Kunden seien daraufhin in den Laden eingedrungen, hätten den Verkäufer bedroht und verletzt. Der Mann habe nunmehr seinen Job gekündigt.

Die Versorgung über diesen Shop ist allerdings auch Gegenstand heftiger Klagen. Der Laden hat nämlich einmal in der Woche für eineinhalb Stunden geöffnet. Von "einkaufen" könne da auch keine Rede sein, berichtet etwa die Asylsuchende Madina Gordanova. Sie stammt aus Tschetschenien und lebt im gleichen Containerblock wie Manal S.

Abgelaufene Lebensmittel

"Die Situation mit diesem Geschäft ist sehr schwer", erklärt sie in gebrochenem Deutsch. Es sei nicht leicht, wenn man für eine sechsköpfige Familie nur einmal wöchentlich Lebensmittel abholen könne. Die Kost sei eintönig, und die Mindesthaltbarkeitsdaten seien mitunter seit Wochen abgelaufen — auch bei Waren wie Milchprodukten.

Viele Flüchtlinge leben Jahre lang in der Unterkunft. Sie fühlten sich von den Behörden ignoriert und mit ihren Sorgen allein gelassen, berichten sie. Auf Ämtern fänden sie kein Gehör. Die Mitarbeiter bei der Stadt, sagt Manal S., "haben kein Herz".

Für Dienstagabend hatte die Initiative "Fremde werden Freunde" zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema eingeladen. Die Stadtverwaltung hatte ihre Teilnahme schon im Vorfeld abgesagt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Barbara Hendricks erklärte allerdings, sie habe bei einem Gespräch im Rathaus den Eindruck gewonnen, dass Politik und Verwaltung bereit sein könnten, den Familien Wohnungen zu vermitteln.

(RP)
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