Flüchtlingsunterkunft in Rees Selbstmord-Drohung eines Asylbewerbers schockt Stadt

Rees · Eine Kleinstadt im emotionalen Ausnahmezustand: Nach dem angedrohten Selbstmord eines 36-jährigen Asylbewerbers im niederrheinischen Rees liegen die Nerven der 20.000 Einwohner blank.

Am Mittwochabend brach die SPD-Bundesschatzmeisterin und Bundestagsabgeordnete Barbara Hendricks (61) aus Kleve bei einer Podiumsdiskussion im evangelischen Gemeindehaus der Stadt in Tränen aus. Mit stockender Stimme berichtete sie von der Begegnung mit einer Flüchtlingsfamilie und deren Kindern im Reeser Flüchtlingswohnheim. Unter Tränen erzählte Hendricks, dass die Kinder sie gebeten hätten, in Deutschland leben zu können wie ihre Grundschulkameraden.

Wenige Stunden zuvor hatte es in der Unterkunft einen dramatischen Zwischenfall gegeben. Ein 36-jähriger Familienvater, der mit Frau und vier Kindern seit mehreren Jahren in der Anlage wohnt, hatte gedroht, sich innerhalb der nächsten Wochen zu verbrennen, sollte seinem Asylantrag nicht stattgegeben werden und sich die Wohnsituation für seine Familie nicht verbessern. Der Libanese befindet sich seither in einem Krankenhaus und wird von Psychologen betreut. Ob tatsächlich eine Selbstgefährdung bestanden hat, prüfen die Mediziner.

Die Drohung des Mannes hat noch einmal den Blick der Menschen auf das Wohnheim gerichtet. Seit Wochen klagen die 60 Flüchtlinge über eine mangelhafte Versorgung mit Lebensmitteln und unzumutbare Unterkünfte, in denen die Temperaturen im Sommer auf bis zu 60 Grad Celsius angestiegen seien.

Die Lage eskalierte in den vergangenen Tagen, als drei Asylbewerber den Verkäufer im Lebensmittelshop des Lagers angriffen. Er hatte, nachdem sich Diebstähle in dem Laden gehäuft hatten, durchsetzen wollen, dass nur eine begrenzte Zahl von Menschen das Geschäft gleichzeitig betreten darf. Nach Schlägen und Tritten sowie Drohungen gegen ihn hat der Mann seinen Job gekündigt. Einen Ersatz hat die Cateringfirma, die den Shop betreibt, noch nicht gefunden.

Inzwischen teilt der Streit ums Asylbewerberheim die Stadt. Während eine Initiative mit dem Namen "Fremde werden Freunde" immer mehr Zulauf bekommt, empört sich der andere Teil der Bevölkerung über Schuldzuweisungen aus dem linken politischen Lager, das der Reeser Stadtverwaltung Herzlosigkeit und mangelnde Fürsorge vorwirft. Befürchtungen werden laut, rechtsradikale Kräfte könnten die Kleinstadt für Randale und Demos nutzen wie in Berlin-Hellersdorf.

Hendricks hat in dieser Lage möglicherweise einen Kompromiss herbeigeführt, der die Lage entschärfen könnte. Die Reeser Stadtverwaltung scheint nach Gesprächen mit ihr bereit zu sein, zumindest die Familien aus der Containersiedlung zu holen und Wohnungen in der Stadt für sie anzumieten.

(RP)
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