Rees Verbraucher-Abzocker: Verteidiger will Schluss-Strich und Freispruch

Rees · Im Prozess um den Verbraucher-Werbeschutzbund vor dem Landgericht Kleve möchte die Verteidigung Dutzende neuer Zeugen hören.

Für den Verteidiger ist der Prozess bereits gelaufen. Um seiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, die er in weitschweifigen Monologen der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kleve erläutert, reicht nicht einmal mehr der Wortschatz der deutschen Sprache aus. Der Strafverteidiger bemüht neue Eigenschaftswörter, um den seiner Meinung nach feststehenden Ausgang des Verfahrens zu beschreiben: "Lassen Sie uns einen Schlussstrich ziehen", bittet er das Gericht. "Für uns ist die Sache freispruchfertig."

Freispruchfertig? Die Sache, um die es geht, ist das Treiben des Geschäftsmanns Sven L. (40) aus Rees. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft versprach er, Gutes zu tun und führte Böses im Schilde. Mit einer von ihm gegründeten Organisation, dem Verbraucher-Werbeschutzbund e.V., offerierte er Mitgliedern Schutz vor unerwünschter Werbung - und ausgerechnet dieser Verein engagierte Callcenter, um Menschen zum Beitritt zu bewegen. Die Absicht, zu helfen, habe L. indes nie gehegt. Ihm sei es nur darum gegangen, den Jahresbeitrag in Höhe von 89,95 Euro zu kassieren. Gewerbsmäßiger Betrug in mehreren tausend Fällen, so die Anklage.

Eine ehemalige Mitarbeiterin hatte dies als Zeugin bestätigt, und seitdem arbeitet sich die Verteidigung in dem Prozess daran ab, entweder darzulegen, dass sie doch gar nichts beweisen müsse, oder aber zu behaupten, dass der Angeklagte mit seinem Verein sehr wohl Tätigkeiten entfaltet habe, oder zumindest in irgendeiner Form in Erwägung gezogen habe, tätig zu werden.

Gestern Nachmittag ging es in der Klever Schwanenburg im Saal A110 um die Frage, ob Dutzende neuer Zeugen gehört werden sollten. Sie stehen auf einer Liste, die im Prozess unter dem Kürzel "K1" firmiert und die Namen solcher Mitglieder enthält, die sich in Briefform aus dem Verein verabschiedeten und in diesem Schreiben eine Standardfloskel benutzen: "Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit." Aus Sicht der Verteidigung bezeugte diese Formulierung, dass der Verbraucher-Werbeschutzbund etwas für den Absender getan hat.

Staatsanwalt Schmäring bezweifelte dies. Für sein unerschütterlich freundliches Gesicht fing er sich überdies einen Rüffel seines Widerparts Dziomba ein: "Hören Sie bitte auf zu grinsen - hier ist nichts lustig!"

Die Kammer wird bis zum kommenden Freitag, dem nächsten Verhandlungstag, über diesen Beweisantrag entscheiden. Für den Fall, dass dieser abschlägig beschieden werde, wies der Vorsitzende Richter Christian Henckel rein vorsorglich auf ein mögliches Ende der Beweisaufnahme hin. Ebenfalls rein vorsorglich kündigte der Strafverteidiger daraufhin an, neue Beweisanträge ausarbeiten zu wollen.

(RP/rl)
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