Rees Verbraucherschutz oder doch nur Betrug?

Rees · Vor dem Landgericht Kleve begann gestern der Prozess gegen einen 40 Jahre alten Mann aus Rees, der 9427 Menschen geschädigt haben soll. Die Schadenssumme soll bei 850 000 Euro liegen.

 Der Angeklagte gestern Morgen zu Prozessbeginn im Gespräch mit einem seiner Anwälte.

Der Angeklagte gestern Morgen zu Prozessbeginn im Gespräch mit einem seiner Anwälte.

Foto: Markus van Offern

Das ist doch nett, wenn man einen Anruf erhält und die Organisation sich anerbietet, einen für eine Jahresgebühr von 89,95 Euro gegen betrügerische Telefonabzocke zu schützen, oder?

Der Mann aus Rees, der diese Idee hatte, sitzt jetzt allerdings im Landgericht Kleve auf der Anklagebank: Gestern begann vor der Wirtschaftsstrafkammer der Prozess gegen den 40-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei seiner Geschäftstätigkeit nicht um Gutmenschentum, sondern um gewerbsmäßigen Betrug mit mindestens 9427 Geschädigten gehandelt haben soll.

Als Vorsitzender eines Verbraucherschutzvereins bot der Angeklagte zwischen März und Oktober 2009 die vermeintliche Hilfstätigkeit an. Zunächst lief die Akquise von Kunden relativ schleppend, doch mit der Beauftragung verschiedener Call-Center gelang der Durchbruch.

Die in der Türkei, auf den Kanarischen Inseln und in Deutschland gelegenen Call-Center hatten sich darauf spezialisiert, ältere Menschen anzurufen und ihnen die Mitgliedschaft in dem Verbraucherschutzverein aufzuschwatzen. Die Abbuchung des Beitrags erfolgte allerdings nach Ansicht der Staatsanwaltschaft unabhängig davon, ob die Angeworbenen einer Mitgliedschaft zustimmten. Der Betrag wurde einfach per Lastschrift eingezogen.

Versprochen wurde den Opfern einerseits der Eintrag in die sogenannte Robinson-Liste, die einen vor unerwünschter Werbung schützt, sowie Hilfe bei betrügerischen Telefongeschäften — der Verein hätte also möglicherweise Gelegenheit gehabt, in eigener Sache tätig zu werden, wie der Vorsitzende Richter Christian Henckel einmal süffisant anmerkte.

Tatsächlich soll der Verein allerdings keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet haben. Die Staatsanwaltschaft geht nach ihren langwierigen Ermittlungen von einem Gesamtschaden in Höhe von 847.958,65 Euro aus.

Gestern vor Gericht zogen die Anwälte des Angeklagten allerdings das genau vehement in Zweifel. Es sei nicht erwiesen, dass keine Leistungen erbracht worden seien. Außerdem störten sie sich an der Tatsache, dass nur 95 der auf diese Weise angeworbenen Vereinsmitglieder Anzeige erstattet hatten.

Schuld seien vielmehr die Call-Center. Als Indiz dafür führten die Verteidiger die Aussagen von Zeugen an, die schilderten, dass ihnen ihre eigenen Bankdaten während des Anwerbegesprächs am Telefon vorgelesen worden seien — woher aber sollen die Call-Center davon gewusst haben? Darüber hinaus zogen die Anwälte auch die Schadenssumme in Zweifel. Ihr Mandant habe keinesfalls auf großem Fuße gelebt, das Geld sei in andere Taschen gewandert.

Der Prozess wird heute vor dem Landgericht in Kleve mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.

(dau)
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