Rees Von Rees nach Jerusalem: Manuel Preuß läuft

Eigentlich wollte Manuel Preuß vor drei Jahren nur schnell zum Supermarkt gehen, um Milch zu kaufen. Doch die nahe Reeser Rheinbrücke zog ihn magisch an. Er überquerte den Fluss, lief bis in die Römerstadt Xanten und weiter nach Wesel. Die Milch hatte er vergessen, dafür aber seine Leidenschaft für das Wandern und seine Faszination für den Rhein entdeckt.

"Ich fragte mich, wie es wohl am anderen Ende dieses internationalen Flusses aussieht", erinnert sich der Kommunikationsdesigner. Es folgten Wanderungen zwischen Rotterdam und Konstanz. Und Mitte Oktober, direkt nach seinem Studienabschluss, brach der 25-Jährige zu seiner bislang längsten Reise auf: In insgesamt acht Monaten will er bis Jerusalem pilgern.

Die Schweiz und Italien hat er schon durchquert, bald erreicht er Griechenland. Dabei geht es ihm nicht allein um sportlichen Ehrgeiz: "Als ich feststellte, dass viele der von mir gewählten Strecken historische Pilgerwege sind, wurde der religiöse Aspekt meiner Reise immer stärker." Eine klare Grenze gebe es aber nicht: "An manchen Tagen sehe ich mich als Wandersmann, in bestimmten Momenten fühle ich mich als Pilger."

Auch das Ziel seiner Reise, Jerusalem, ist religiös motiviert: Christen, Juden und Muslime haben eine starke historische Bindung zu dieser Stadt. "Auf meinem Weg komme ich mit allen drei Religionen und mit sehr unterschiedlichen Kulturen in Kontakt." Ihn interessiere, so Preuß, wie die Menschen in den einzelnen Ländern denken und "wie es zu den vielen Konflikten kam, von denen wir immer in den Nachrichten hören".

Für seine erste lange Etappe bis Rom wählte er die "Via Francigena", auf der im Jahr 990 schon der Bischof von Canterbury pilgerte. Obwohl die Strecke bei weitem nicht so bekannt und populär ist wie der Jakobsweg, fand der junge Deutsche auch hier ein zuverlässiges Netz von Pilgerherbergen und ehrenamtlichen Helfern, die seinen Pilgerpass stempelten und gute Ratschläge gaben.

Mitte November traf Preuß in Rom ein - und erlebte im Petersdom eine angenehme Überraschung: "Als ich in einer Seitenkapelle nach meiner Pilgerurkunde fragte, führte mich ein Wärter durch einige Gänge, die kein normaler Tourist zu Gesicht bekommt." Außer der Urkunde erhielt er eine private Führung durch den unterirdischen Teil des Petersdoms und zu den Grabkammern mehrerer Päpste. Auch an der Generalaudienz von Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz nahm er teil.

Wenige Tage später entging Preuß nur knapp einem Unfall. "Ein Kleinwagen geriet ins Schleudern und krachte 20 Meter neben mir vor eine Wand, an der ich kurz zuvor vorbeigelaufen war", berichtet er. "Man kann es Glück nennen, dass mir nichts passiert ist, aber ich bin überzeugt, dass mich jemand da oben angeschoben hat."

Auf seiner Internetseite www.fort-geschritten.de veröffentlicht der junge Pilger fast täglich Berichte und Fotos von seinem aktuellen Abenteuer. Ob er seine Erlebnisse später auch zu einem Buch verarbeitet, lässt er offen: "Ich bin nicht mit dem Ziel losgegangen, ein Buch zu schreiben." Wenn er aber später das Gefühl habe, der Welt etwas mitteilen zu können - warum nicht?

Dass der Vergleich zu Hape Kerkeling und dessen mehr als drei Millionen Mal verkauftem Jakobspilgerbuch "Ich bin dann mal weg" naheliegt, ist Preuß sehr recht: "Ich finde es gut, dass Hape Kerkeling das Pilgern in die Öffentlichkeit gebracht hat. Das hilft den Menschen, ihr Bewusstsein zu schärfen und ihr Handeln zu reflektieren."

Bis Juni will Preuß in Jerusalem ankommen. Konfliktreiche Ziele im Nahen Osten, etwa Syrien, liegen noch vor ihm. Israel und Palästina sollen die letzten Stationen sein; danach will er mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland kommen. Oder doch zu Fuß? Oder doch einmal um die ganze Welt? "Der Suchtfaktor und das Freiheitsgefühl des Pilgerns sind nicht zu unterschätzen", gesteht Preuß. Der Kanadier Jean Beliveau sei im Oktober erst nach 11 Jahren, 64 Ländern und 75.000 Kilometern zu Fuß wieder nach Hause gekommen.

(jul)
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