Straelen Hagen Rether: Die Liebe fehlt

Straelen · Es gibt Kabarettisten, die werden laut, wenn sie auf die gesellschaftlichen und politischen Missstände hinweisen. Nicht so Hagen Rether.

In sich versunken sitzt er auf dem Bürodrehstuhl am Flügel. Schweigt sekundenlang, manchmal mit vors Gesicht geschlagenen Händen. Um dann ein ums andere Mal den resignativen Satz "Was reg' ich mich auf?" zu seufzen.

Aufreger freilich gibt es reichlich. So viele, dass der Zopfträger aus Essen auf der Bühne des Straelener Forums ein dreistündiges Programm absolviert, das den Zuhörern bei der ausverkauften Kulturring-Veranstaltung oft schallendes Lachen, bekräftigenden Beifall und bestätigendes Kopfnicken entlockt. "Liebe" hat Rether als Überschrift für den Auftritt gewählt. Aber gerade dieses schönste aller Gefühle kommt in diesem Marathon-Monolog nicht vor.

Und genau darin, im Mangel an Liebe, oder auf weniger leidenschaftlicher Stufe, im Mangel an Empathie macht der Kabarettist einen wesentlichen Grund für das Elend aus. Religion zum Beispiel könnte aus seiner Sicht auf zwei Grundprinzipien reduziert werden: Demut vor der Schöpfung und Nächstenliebe. Stattdessen gebe es "Panzerglas-Religion": Der Papst fahre geschützt im Papamobil durch die Gegend und predige gleichzeitig von Gottvertrauen. Statt dass die Menschen aufeinander zugingen, werde nach Abgrenzungen und Feindbildern gesucht.

"Haben Sie Angst vor dem Islam?"

Eines davon: der Islam. "Haben Sie auch Angst vor dem Islam?", fragt Rether beschwörend in den Saal. Um dann auf die Tausende von Deutschen zu sprechen zu kommen, die jedes Jahr dem Alkohol zum Opfer fallen. "Haben Sie etwa Angst vor Riesling?", lautet die Frage, mit der er die Doppelmoral enttarnt. Den Kommunismus nennt Rether als ein weiteres Feindbild, hebt ab auf die ungleiche Bewertung von linker Gewalt, die vornehmlich gegen Vermögenswerte gerichtet sei, und von rechter Gewalt, bei der Menschen zusammengeschlagen würden. Dieses Missverhältnis ist eine der deutschen, mit Denkverboten einhergehenden Traditionen, die Rether anprangert.

Die geringe Wertschätzung von Arbeit, die für die Gesellschaft wichtig ist, kritisiert Rether: "Warum muss ein Professor zehnmal mehr verdienen als eine Erzieherin?" Die permanente Ausbeutung der Dritten durch die Erste Welt ist eines seiner Leitmotive.

Einen Grund zur Dankbarkeit findet der Künstler gegen Ende doch noch. Er widmet den Abend Mao Tse-Tung. Denn wenn der die Chinesen in den 50er und 60er Jahren nicht unterdrückt hätte, wären die westlichen Industrienationen schon längst überflügelt worden.

(RP)
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