Niederrhein Erdbeben am Niederrhein: Epizentrum in Kessel

Goch-Kessel · Das Naturereignis war am Donnerstagabend (8. September) im Kreis Kleve besonders heftig zu spüren. Schäden und Verletzte gab es keine, doch viele Menschen liefen dennoch besorgt auf die Straße.

Das Epizentrum in Goch: Hier hat die Erde gebebt
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Das Epizentrum in Goch: Hier hat die Erde gebebt

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Bis 23 Uhr gingen 350 Notrufe bei der Polizei in Kleve ein. Bei der Erdbebenstation Bensberg meldeten sich fast 2000 Menschen, bei denen die Erde gebebt hatte. Die Auswirkungen reichten bis ins Ruhrgebiet, Münsterland und nach Amsterdam.

Ein dumpfer Schlag, gefolgt von Sekunden langen Erschütterungen hat am Donnerstagabend um 21.03 Uhr die Menschen im Kreis Kleve aufgeschreckt. Unmittelbar nach den Erschütterungen begannen die Hunde zu bellen. "Es war ein dumpfes Grollen, da schnellte direkt der Puls in die Höhe", sagt der 33-jährige Jens Kisters aus Kleve. Sofort hätten sich die Menschen auf der Straße versammelt und seien sich schnell einig gewesen: "Das war ein Erdbeben." Später stellte sich heraus, dass das Epizentrum an der Driesbergstraße in Kessel lag.

Kein Flugzeug-Absturz

Auch in Winnekendonk versammelten sich viele Menschen spontan auf der Straße — und befürchteten, dass ein Flugzeug am nahegelegenen Airport Niederrhein abgestürzt sein könnte. Doch schnell waren sich auch die Leute einig, dass es ein Erdbeben war.

Bei Kristina Vogel in Kleve sind einige Gegenstände aus dem Regal gekippt. "Ich saß auf der Couch, und auf einmal fing das ganze Haus an zu wackeln", beschreibt sie ihre Erfahrungen. "Das war ein ganz komisches Gefühl, und der Adrenalinpegel ging hoch." Die 27-Jährige berichtet weiter: "Ganz oben auf dem Regal habe ich ein Glas stehen, das fing auch an zu wackeln und fiel dann runter".

In der Aula des ehemaligen Sebus-Gymnasiums trainierten die Tänzerinnen der "Funkerschwänchen", die Showtanzgruppe der Karnevalsgesellschaft Schwanenfunker. "Wir machten gerade eine Hebefigur, als plötzlich alles wackelte", erzählt Nicole Thünnissen. "Wir dachten, dass die Decke einstürzt, und sind schreiend in eine Ecke gerannt." Dann sei aber schnell klar gewesen, dass es ein Erdbeben war. Das Training ging anschließend weiter, wenn auch mit weichen Knien.

Von dem eigentlichen Beben nichts gemerkt hatten Sportler, die in einer Turnhalle in Kleve trainierten. Allerdings wunderten sie sich, dass in einem Nebenraum plötzlich Sportgeräte umfielen. Vage Berichte über ein älteres Haus, das durch das Beben beschädigt wurde, machten im Klever Stadtteil Rindern die Runde.

Von Erdstößen überrascht

Die Kleverin Lina Russ wohnt in Nimwegen. Auch dort wurde sie von den Erdstößen überrascht. "Hier werden gerade Häuser abgerissen", sagt sie, "aber Sprengstoff um die Uhrzeit schien mir ein bisschen komisch." Auf der Straße sei dann aber "alles wie immer" gewesen. Angst habe sie nicht gehabt.

Der Wirtin im Imbiss 't Huuske wären vor Schreck fast die Pommes verbrannt. In Siebengewald gleich an der Grenze zu Goch hatte es so gerappelt, dass ihr die Füße minutenlang gekribbelt hätten, sagt die Frau. Die Jugendlichen, die draußen auf ihr Essen warteten, warengelassener. Sie hatten Hunger. Auf dem Tennisplatz nebenan spielten junge Leute unter Flutlicht weiter, als sei nichts geschehen. Und die Gaesdoncker Schüler, die auf deutscher Seite das Rumoren spürten, hatten endlich mal was Spannendes zu erzählen. Am Donnerstagabend dürfen sie draußen Bier trinken. Im Schlafbereich der Unterstufenschüler ist es allerdings dunkel geblieben - die jüngsten Internatsschüler haben das Ereignis verschlafen.

Etwas länger brauchte Nicole Reykers aus Kervenheim, um das Geschehen zu realisieren. "Hier war es sehr heftig", erzählt sie. Sie saß während des Bebens mit Freundinnen zusammen und dachte zunächst an einen Autounfall. "Dann war uns aber doch klar, dass es etwas anderes gewesen sein muss, und wir sind auf die Straße gelaufen". Sie habe zwar auch die anderen Beben noch in Erinnerung, "aber dieses Erdeben fand ich extremer", sagt sie.

In Geldern erlebte die 20-jährige Jule van Treeck das Beben in ihrem Bett: "Es hat ganz kurz gewackelt, auch der Spiegel an der Wand." Ihre Schwester bekam von dem Naturereignis ein Stockwerk tiefer nichts mit. In Poelyck war nach Aussage einer Bewohnerin ein "leichtes Grummeln" zu verspüren.

Alarm im Internet

Schon wenige Minuten nach dem Erdbeben schlug die Internet-Gesellschaft Alarm. Beim Nachrichtendienst "Twitter" fragten Nutzer ungläubig, ob sie gerade ein Erdbeben erlebt hätten. Auch bei Facebook schilderten die Angemeldeten ihre Erlebnisse. Michael Bay (Grüne Kreis Kleve) erklärte, er habe einen "kurzen Laut" gehört, als ob etwas explodiert sei. Auch bei Facebook überschlugen sich die Meldungen, in Windeseile wurden die Erfahrungen ausgetauscht. Es gab sogar eine eigene Gruppe "Erdbeben 08.09.2011 - Ich war dabei".

(RP/jul)
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