Kevelaer Eltern haben Angst vor der Inklusion

Kevelaer · Noch ist unklar, ob das Förderzentrum in Kevelaer erhalten bleibt. Gemeinsamer Unterricht im Zuge der politisch gewollten Inklusion steht überall an. Kevelaerer Familien berichten der Rheinischen Post von ihren Erfahrungen.

 Fabian Reykers macht gerade ein Praktikum im Kindergarten. Drei Jahre lang hat der 16-Jährige den Gemeinsamen Unterricht der Hauptschule besucht, doch ohne Hilfe durch genügend Sonderpädagogen scheiterte er. Nun ist er wie sein jüngerer Bruder Jonas (rechts) auf der Förderschule. Dort fühlen sich beide wohl. Mutter Nicole glaubt, dass Inklusion nicht für alle Kinder das Richtige ist.

Fabian Reykers macht gerade ein Praktikum im Kindergarten. Drei Jahre lang hat der 16-Jährige den Gemeinsamen Unterricht der Hauptschule besucht, doch ohne Hilfe durch genügend Sonderpädagogen scheiterte er. Nun ist er wie sein jüngerer Bruder Jonas (rechts) auf der Förderschule. Dort fühlen sich beide wohl. Mutter Nicole glaubt, dass Inklusion nicht für alle Kinder das Richtige ist.

Foto: Gerhard Seybert

Allzu gern würden Nicole Reykers, Andrea Klein, Cornelia Janssen und Michaela Winkels sagen: "Klar, unsere Kinder sollen wie alle anderen auf eine ganz normale Schule gehen." Aber das können sie nicht, denn ihre Kinder sind Förderschüler. Alle haben einen seit Jahren bewiesenen sonderpädagogischen Förderbedarf und besuchen derzeit das Förderzentrum an der Bieg.

 Fabian Reykers macht gerade ein Praktikum im Kindergarten. Drei Jahre lang hat der 16-Jährige den Gemeinsamen Unterricht der Hauptschule besucht, doch ohne Hilfe durch genügend Sonderpädagogen scheiterte er. Nun ist er wie sein jüngerer Bruder Jonas (rechts) auf der Förderschule. Dort fühlen sich beide wohl. Mutter Nicole glaubt, dass Inklusion nicht für alle Kinder das Richtige ist.

Fabian Reykers macht gerade ein Praktikum im Kindergarten. Drei Jahre lang hat der 16-Jährige den Gemeinsamen Unterricht der Hauptschule besucht, doch ohne Hilfe durch genügend Sonderpädagogen scheiterte er. Nun ist er wie sein jüngerer Bruder Jonas (rechts) auf der Förderschule. Dort fühlen sich beide wohl. Mutter Nicole glaubt, dass Inklusion nicht für alle Kinder das Richtige ist.

Foto: Gerhard Seybert

Weil nicht klar ist, ob und in welcher Form diese Schule über 2014 hinaus bestehen wird, sind die Eltern beunruhigt. Inklusion, der gemeinsame Unterricht behinderter und nicht-behinderter Kinder, steht im Raum. Viele Eltern sind aber überzeugt, dass ihr Kinder an einer Regelschule überfordert wäre. Nicole Reykers kennt beide Systeme.

Die Kervenheimerin hat zwei Söhne, bei denen eine Lernbehinderung festgestellt wurde. Fabian, der ältere, besuchte die Grundschule Kervenheim. Abgesehen davon, dass er für die erste Klasse zwei Jahre brauchte, klappte alles recht gut. "In Kervenheim wird jedes Kind individuell gefördert", lobt seine Mutter. Kleine Schule, kleine Klasse, ein vertrautes Umfeld.

Dann stand der Wechsel zur weiterführenden Schule an. "Wie alle Eltern wollte ich für mein Kind eine so normale Umgebung wie möglich. Die Lehrer trauten Fabian zu, an der Hauptschule zu bestehen."

Die ersten zwei Jahre GU (Gemeinsamer Unterricht) funktionierten gut, dann war's aus. "Im dritten Jahr gab es keinen Sonderpädagogen mehr, Fabian war überfordert." Seit der achten Klasse besucht der Junge die Förderschule und ist dort glücklich.

Zurzeit macht er ein Praktikum im Kindergarten, wird nach der zehnten Klasse aufs Berufskolleg wechseln und soll dort seinen Hauptschulabschluss nachholen. Eines Tages möchte er Altenpfleger werden. Jonas, heute knapp 14, ist nach dem heilpädagogischen Kindergarten gleich in die Förderschule gekommen. Er ist schwerer Legastheniker, liest wie ein Erstklässler.

"Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn er sich gegenüber pubertierenden Altersgenossen behaupten muss. Da wird er doch garantiert ausgegrenzt oder sogar gemobbt. Die Förderschule hingegen ist sein zweites Zuhause, hier sind alle wie er", sagt seine Mutter. Als Jonas davon hörte, dass "seine" Schule womöglich nicht mehr lange existiert, wollte er nach den Ferien gar nicht mehr zurück. "Sein Denken war: ,Wenn ich das neue Schuljahr vor mir her schiebe, ist es nie zu Ende und ich muss nicht woanders hin.'"

Cornelia Janssen ist ebenso überzeugt, dass für ihre schon 16-jährige Tochter keine andere Schule in Frage käme. Melanie hat zu ihrer Lernbehinderung auch körperliche Probleme und zeigt oftmals ein Verhalten, mit dem Lehrer und Kinder ohne entsprechende Erfahrung vermutlich nicht klar kämen.

"Vielleicht ist unsere Gesellschaft in zehn Jahren so weit, Andersartigkeit zu akzeptieren. Aber bisher eben noch nicht", sagt die Mutter, die auch in der Verwandtschaft und Bekanntschaft oft auf Unverständnis stoße. "Einem Rollstuhlfahrer oder einem Kind mit Down-Syndrom treten viele Menschen offen gegenüber. Aber unsere Kinder sehen genauso aus wie alle anderen, sind aber eben nicht gleich. Viele Leute wissen nicht, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Das spüren auch die Kinder, und es tut ihnen weh."

Als Autist mit Sprachstörung wäre Tom Winkels in eine "normale" Grundschulklasse mit 25 Kindern kaum zu integrieren, ist seine Mutter Michaela überzeugt. "Er braucht viel Zuwendung und einen Ruheraum, in den er sich zurückziehen kann." Die Kevelaererin fürchtet auch, dass die Eltern der anderen Kinder Vorbehalte hätten. Nicht zuletzt geht sie davon aus, dass Lehrer, die für den Umgang mit Behinderten nicht ausgebildet sind, Berührungsängste haben. Ein wenig Fortbildung werde da kaum Abhilfe schaffen — wenn es sie überhaupt gebe. Und Förderlehrer sind rar.

Der Sohn von Andrea Klein, Sven, ist sprachbehindert. Derzeit sind 13 Kinder in seiner dritten Klasse am Förderzentrum. "Inklusion ist wichtig, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Ohne kleine Klassen und Sonderpädagogen geht es nicht." Klein möchte selbst bestimmen, was für eine Schule ihr Kind besuchen wird.

(RP/rl)
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