Weeze So tagen Piraten in Kevin's Pub

Weeze · Die Piratenflagge hatte ein Mitglied vor der Versammlung gehisst, auf Enterhaken, Augenklappe und krächzende Papageien auf den Schultern hatten sie dann aber doch verzichtet: Am Donnerstag traf sich der Klever Kreisverband der Piratenpartei zur Wahl der Landtagskandidaten in "Kevin's Pub" im Weezer Ortskern.

Stilles Wasser, Radler, eine Spezi und ein Hagebuttentee — die Getränke hätten auch bei CDU- oder SPD-Versammlungen geordert werden können. Und doch läuft hier alles etwas anders ab, als man es von Schwarz, Rot, Gelb oder Grün gewohnt ist. Mit einer Stunde Verspätung begrüßt der Kreisvorsitzende Rolf Bernards die Mitglieder; mit dem Ablauf der Wahlen scheint keiner im Vorstand so recht vertraut zu sein; und weil allgemeine Unsicherheit darüber herrscht, welche Kommune zum Wahlkreis 53 (Südkreis) oder 54 (Nordkreis) gehört, zieht sich der Wahlvorgang unnötig in die Länge. Zwischendurch werden munter "Twitter" in die Welt entsendet.

Ein älterer Pirat bringt es schließlich selbst auf dem Punkt: "Bei uns im Sportverein sind die Versammlungen aber besser organisiert." Dass Organisation keine unwichtige Komponente ist, weiß auch Ansgar Thüs. "Daran müssen wir noch arbeiten", räumt der 31-jährige IT-Dienstleister ein. Es sind schließlich politische Inhalte, mit denen Thüs und seine Parteikollegen die Ernsthaftigkeit ihres Unterfangens demonstrieren können.

"Zahlreiche Ortschaften sind im Bereich Internet hoffnungslos unterversorgt", klagt Thüs. Auch das Gelderner Industriegebiet leide am schwächelnden Standortfaktor Breitbandversorgung. Zudem möchte sich Thüs, der bei den Landtagswahlen im Südkreis kandidiert, für den Bau der OW 1 in Kevelaer und eine höhere Subventionierung von Solarenergie und Milchwirtschaft stark machen.

Ebenfalls aus Weeze kommt der NRW-Landesvorsitzende Michele Marsching, am Donnerstag ebenfalls vor Ort. Der Softwareentwickler sieht seine junge Partei weiter im Aufschwung: "Nach den Wahlen in Berlin ist ein richtiger Ruck durch die Mannschaft gegangen. Jetzt sind es nicht mehr nur die Nerds, sondern Bürger aus allen Berufsgruppen, die sich uns anschließen: Wir können uns breiter aufstellen." Polizeibeamte, Rentner, Autoverkäufer und Hausfrauen sind die neuesten von mittlerweile 60 Piraten im Kreisverband Kleve. Ihre Motivationen, sich den Piraten anzuschließen, sind längst nicht mehr Themen wie die Internetfreiheit. "Sie kommen zu uns, weil sie mitreden wollen und in anderen Parteien gar nicht zu Wort kommen", ist Marsching überzeugt.

Ein Beispiel für die zweite Piratengeneration: Wolfgang Huying aus Rees, der im Nordkreis antreten wird. "Ich war immer Stammwähler der CDU", betont der 49-Jährige. Irgendwann fehlten ihm bei den Christdemokraten die Perspektiven. Seine Vorstellung beeindruckt Marsching: Er zieht seine Kandidatur zurück. Ein Landesvorsitzender ohne eigenen Wahlkreis, auch das gibt es wohl nur bei den Piraten.

(riem)
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