Weeze Wallraff getarnt im Petrusheim

Weeze · Als Obdachloser verkleidet, ließ sich der Autor in der Einrichtung aufnehmen. In einem Buch und einer TV-Doku zeichnet er ein trostloses Bild. Der Trägerverein verteidigt sich und wirft Wallraff fragwürdige Methoden vor.

 Günter Wallraff ist einer der prominenten Unterstützer des Bündnisses.

Günter Wallraff ist einer der prominenten Unterstützer des Bündnisses.

Foto: ddp, ddp

Das Petrusheim in Weeze wirbt mit dem freudigen Slogan "Sich qualifizieren und Selbstwertgefühl erneuern". Völlig anders schildert der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff die Einrichtung. Nach seinem Eindruck besteht der Alltag der Bewohner aus "rumhängen, sich langweilen, rauchen, trinken, vielleicht noch fernsehen".

Arbeit für Cent-Beträge

Wallraff war, als Obdachloser getarnt, im vergangenen Jahr im Petrusheim aufgenommen worden. In seinem Buch "Aus der schönen neuen Welt" und der ZDF-Reportage "Unter Null", die am Dienstagabend gesendet wurde, zeichnet er ein trostloses Bild. Er berichtet von Arbeit für Cent-Beträge, kleinen Taschengeldern, herablassender Behandlung und Aushängen am Schwarzen Brett, die im gleichen Absatz 2,50 Euro Prämie fürs Bierabladen und fürs Sargtragen bei der Beerdigung eines verstorbenen Bewohners bieten. Die Landwirtschaft des Hauses liege längst in den Händen von bezahlten Landarbeitern. Die Insassen brächten zu wenig Leistung und seien nicht motiviert, lautet nach Walllraff die Rechtfertigung der Leitung.

Der Träger des Heims, der Rheinische Verein für katholische Arbeiterkolonien, hat mit einer Stellungnahme reagiert. Man sei "enttäuscht" über Wallraffs Art der Recherche und wirft dem Autor selbst fragwürdige Methoden vor: "Er hat, um an ,Informationen' zu gelangen, wohnungslosen und betroffenen Menschen, die in unserer Einrichtung leben, Geld gezahlt."

Die Bewohner erzählten Wallraff von Vergünstigungen für Vorstandsmitglieder, etwa beim Einkauf in der Metzgerei des Heims. Und davon, dass ein ehemaliger Heimleiter Bewohner als Arbeitskräfte für den Bau seines Eigenheimes eingespannt habe.

Der Trägerverein weist diese "Vorwürfe der persönlichen Bereicherung" zurück. Offenbar hätten Bewohner Vorgänge falsch wahrgenommen, sagt Geschäftsführer Gerold König auf RP-Anfrage. "Es stimmt, dass die Vorstandsmitglieder einmal im Jahr einen Präsentkorb mit Fleischwaren bekommen." Dessen Wert liege aber unter der gesetzlichen Höchstgrenze von 30 Euro für solche Geschenke. "Wir sind natürlich dem Vorwurf der Hilfe zum Eigenheimbau nachgegangen", sagt König. Auch dieser habe sich in Luft aufgelöst. Es habe sich um die Dienstleistung eines Elektrikers gehandelt. "Alles wurde korrekt abgerechnet", sagt König. Der Rheinische Verein verteidigt auch die Praxis, dass am Kiosk des Heims Alkohol verkauft wird — eine Tatsache, die Wallraff ebenfalls befremdet. Die Bewohner seien freiwillig vor Ort und könnten selber über ihre Lebensführung bestimmen, so der Verein. Es gebe auch abstinente Wohngruppen.

(RP)
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