Rheurdt Fleischmafia: Spuren führen nach Rheurdt

Rheurdt · Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt in einem groß angelegten Verfahren wegen angeblicher Lohnsklaverei mit Arbeitern aus Osteuropa. Unter den 22 Beschuldigten sind ein Rheurdter Unternehmer und ein Lintforter CDU-Mann.

 Gestern Abend zeigte der NDR diese Aufnahmen. Sie zeigen angeblich Unterkünfte, die von rumänischen Schlachthof-Arbeitern benutzt werden.

Gestern Abend zeigte der NDR diese Aufnahmen. Sie zeigen angeblich Unterkünfte, die von rumänischen Schlachthof-Arbeitern benutzt werden.

Foto: NDR

Ralf R. pflegt nicht eben einen unauffälligen Lebensstil. In Rheurdt hat er eine von hohen Mauern umschlossene Villa im neutoskanischen Stil erbaut. Vor dem Haus stehen mehrere Garagen. In ihnen sollen, so Dorfbewohner, ein Ferrari, ein Lamborghini, ein Porsche, ein Bentley und — als jüngster Erwerb — ein Rolls Royce geparkt sein.

Nach den Recherchen des Norddeutschen Rundfunks und eigenen Ermittlungen unserer Zeitung soll R. Hauptbeschuldigter in einem der größten Wirtschaftsstrafverfahren sein, das jemals bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf anhängig war. Dabei geht es um Lohnsklaverei, illegale Arbeitnehmerüberlassung, Steuerhinterziehung und Hinterziehung von Sozialabgaben.

Am 14. Mai stürmten am frühen Morgen rund 25 Beamte von Staatsanwaltschaft, Polizei und Zoll das Anwesen. "Das war wie im Film", erinnert sich ein Zeuge. "Die hatten sogar Hundeführer mit Bissschutz dabei, wohl wegen der Rottweiler, die dort sonst immer über den Hof laufen." Wagenladungsweise hätten die Beamten Material aus Rs Wohnung abtransportiert. Zeitgleich gingen 450 Beamte an 90 Orten in Deutschland gegen Verdächtige der Fleisch-Mafia vor.

"R. ist mein Freund", sagt Olaf Löttgen (70). "Er hat mir einen Job gegeben, nachdem ich mit meiner Baufirma insolvent gegangen war." Löttgen ist einer von insgesamt 22 Beschuldigten, gegen die die Staatsanwaltschaft seit 2011 ermittelt. Besonders in Kamp-Lintfort ist Löttgen kein Unbekannter. Bis 2004 war er Vorsitzender des Stadtverbands der CDU. Im April 2013 wählte ihn die Seniorenunion zu ihrem Vorsitzenden.

Auch bei ihm waren die Behörden am 14. Mai vorstellig geworden. "Die haben sogar meine PINs und TANs beschlagnahmt. Ich konnte tagelang nicht arbeiten", berichtet Löttgen. Auch 127 000 Euro hätten die Beamten mitgenommen, dazu etliche Unterlagen. Löttgen sieht sich als Opfer einer staatlichen Willkürmaßnahme. "Ich kooperiere doch mit der Staatsanwaltschaft. Alle meine Unterlagen liegen bei meinem Steuerberater. Da hätte man nur nachfragen müssen." Sollte er Fehler gemacht haben, so Löttgen, werde er dafür gerade stehen. Aber er verwahrt sich dagegen, als Krimineller vorverurteilt zu werden.

In welcher geschäftlichen Beziehung er zu R. steht, will er nicht sagen. Keinesfalls sei er Strohmann von R., wie behauptet werde. Nach eigenen Aussagen ist Löttgen Geschäftsführer von "Pro Works Services". Das Unternehmen beschäftige sich unter anderem mit der Vermittlung von rumänischen und spanischen Arbeitern an deutsche Unternehmen, vorwiegend aus der Schlachterbranche. "Die kommen alle freiwillig", beteuert Löttgen. Sein Unternehmen nutze lediglich die rechtlichen Möglichkeiten, die die EU-Gesetzgebung biete. "Schwarzarbeiter beschäftige ich nicht", sagt er.

Simon Lisken, dem Vorsitzenden der CDU in Kamp-Lintfort, sind die Beschuldigungen gegen den Vorsitzenden der Senioren-Union sichtlich unangenehm. "Man sollte niemanden vorverurteilen", sagt Lisken. "Wenn sich die Vorwürfe gegen Löttgen jedoch als stichhaltig erweisen sollten, hoffe ich, dass er selbst die richtigen Schritte unternehmen wird." Der verweist jedoch selbstbewusst auf das Verfahren gegen Fleisch-Mogul und Schalke-Sponsor Clemens Tönnies. Das habe auch nach Jahren ergebnislos eingestellt werden müssen.

Bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft erinnert man jedoch an einen Prozess, in dem es auch um Lohnsklaverei in der Fleischer-Branche ging. Im Dezember 2010 ging das Verfahren nach jahrelangen Ermittlungen vor der 14. Großen Strafkammer des Landgerichts zu Ende. Acht Angeklagte erhielten Haftstrafen bis zu fünfeinhalb Jahren. "Der Umfang illegaler Tätigkeiten und deren Selbstverständlichkeiten sind erschreckend. Das Gewerbe scheint von diesen Straftaten durchdrungen zu sein", sagte Richterin Brigitte Koppenhöfer über die Zustände in deutschen Schlachtereien damals.

(RP/rl)
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