Moers Fotos ansehen und auf Zeitreise gehen

Moers · Seit gestern ist im Willy-Brandt-Haus in Repelen eine Ausstellung zur Geschichte von Migranten in Moers zu sehen. Sie zeigt Menschen, die zu Zeiten des Wirtschaftswunders nach Moers kamen – voll von Ängsten, Hoffnung und Heimweh.

 Erika Scholten, stellvertretende Bürgermeisterin, und Awo-Soziologe Özdilek Simsek, vor zwei Bildern der Ausstellung. Die zwei jungen Männer auf dem linken Foto sind 1961 aus Spanien nach Deutschland gekommen.

Erika Scholten, stellvertretende Bürgermeisterin, und Awo-Soziologe Özdilek Simsek, vor zwei Bildern der Ausstellung. Die zwei jungen Männer auf dem linken Foto sind 1961 aus Spanien nach Deutschland gekommen.

Foto: Klaus Dieker

Dieses Foto ist ein Blick in eine andere Zeit: Vorne auf dem Motorroller sitzt José Fernandez, hinter ihm sein Freund Antonio Cardenos. Im Hintergrund ist eine Holzbaracke in Kamp-Lintfort zu sehen, in der Antonio Cardenos wohnte, als er zu Beginn der 1960er Jahre nach Deutschland reiste. Sein Ziel war es, eine Arbeit zu finden, Geld zu verdienen. Die beiden Männer auf dem Motorrad, die auf dem Schwarz-Weiß-Foto zu sehen sind, sind Wanderer zwischen zwei Welten. Spanien haben sie verlassen, aber im Deutschland der 60er Jahre – im Wirtschaftswunder – sind sie noch längst nicht angekommen, so lange einer von ihnen noch in einer Baracke lebt. Das Foto der beiden Männer ist eines von 14, das seit gestern in der kleinen Foto-Ausstellung mit dem Titel "Zur Geschichte der Migration im Stadtteil Repelen" zu sehen ist. Gestern wurde sie von Fahri Simsek, Leiter des Internationalen Bürgerzentrums (IZ), und der stellvertretenden Bürgermeisterin Erika Scholten im Willy-Brandt-Haus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) am Rheinkamper Ring eröffnet.

Alle 14 Fotos sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen, alle wurden in den 1960er Jahren aufgenommen – kurz nachdem Deutschland Abkommen mit Griechenland, Spanien sowie der Türkei geschlossen hatte, um von dort Arbeitskräfte aufzunehmen. Gemeinsam ist allen auch, dass auf ihnen Menschen im Mittelpunkt stehen, die ihre alte Heimat verlassen haben, in der neuen aber noch nicht angekommen sind. Die Fotos zeigen Menschen, die zusammen einen Sonntagsausflug unternehmen, solche, die mit dem Bus in ihre alte Heimat fahren, um dort Urlaub zu machen, sie zeigen Heimweh und Ankommen und Hoffnung.

Die ausgestellten Bilder sollen ihre Betrachter für das Thema Migration und für ein gemeinsames Miteinander sensibilisieren. "Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen", wird im kurzen Text zur Ausstellung der berühmte Satz vom Schriftsteller Max Frisch von 1967 zitiert.

"Es gab nicht nur Wohnungs- und Sprachprobleme", sagt die stellvertretende Bürgermeisterin Erika Scholten zur Eröffnung. "Es gab auch das Problem der Einsamkeit. Die Frauen und Kinder waren zunächst zu Hause – in Spanien, Griechenland oder der Türkei." Doch auch als sie nachkommen sind, wurde es nicht überall automatisch einfacher.

"Man weiß nicht, wo man hingehört", sagt Margarita Jünemann-Fernandez. Ihr Vater José Fernandez ist der junge Mann, der auf dem eingangs erwähnten Foto vorn auf dem Motorrad sitzt. Er kam 1961 nach Deutschland und holte ein Jahr darauf seine Frau Carmen nach. "Die Gefühle sind gemischt, vielleicht einmal nach Spanien zu gehen", sagt die 43-Jährige Repelenerin, die aus ihrer Familie und ihrem Bekanntenkreis Bilder zusammentrug. "Meine Mutter ist wieder nach Spanien zurückgekehrt, mein Vater verstorben. Meine Kinder Enrique und Lorena haben diese Gedanken nicht mehr."

(RP)
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