Wesel/Rees AKW-Standort besteht weiter

Wesel/Rees · Atomkraft-Debatte am Niederrhein wäre heute heiß, wäre der Schnelle Brüter bei Kalkar gebaut worden. Blick zurück: So war der Widerstand. Blick voraus: In Bislich ist Kraftwerk erlaubt. Wirtschaftsministerium bremst.

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Foto: dapd

Die Katastrophe in Japan hat in Deutschland die Debatte über Atomkraft in Gang gesetzt. Sieben Meiler werden abgestellt. In Wesel und der Nachbarstadt Rees hat das Thema besondere Brisanz. Denn gegenüber auf der anderen Rheinseite liegt das Kernwasserwunderland, das als Schneller Brüter für die Aufbereitung von Brennstäben vorgesehen war.

Wäre das Projekt nicht am massenhaften Widerstand gescheitert, hätte der Niederrhein jetzt die heißeste Atom-Debatte aller Zeiten, ist zu vermuten. Doch ganz aus der Welt ist das Thema nicht.

Denn in Bislich-Vahnum an der Grenze zu Mehr besteht weiter ein ausgewiesener Standort für Groß-Kraftwerke. Ein Atomkraftwerk oder ein Kohlemeiler wären weiter möglich. Das planerische Relikt aus alten Zeiten wurde bisher nicht aufgegeben. Der mögliche Standort für ein AKW rückt wieder in den Fokus.

Marina und Vögel statt AKW?

Die Fläche in der Nähe der Windräder am Deich in Vahnum ist für ein "flächenintensives Großvorhaben" reserviert. Übersetzt: Dort könnte auch ein Atomkraftwerk gebaut werden. Zudem taucht die Fläche regelmäßig in Karten auf, die in Deutschland mögliche Standorte für neue Kraftwerke aufzeigten. Das Gelände dort sei ideal. Der Rhein könne den Reaktor kühlen, gleichzeitig sei die Region dünn besiedelt.

Klar ist jedoch: In NRW gibt es kein AKW, die mögliche Strahlenbedrohung lauert hinter der Grenze in den Niederlanden und in Belgien. Klar ist weiter: An ein neues Kraftwerk in Bislich denkt derzeit niemand. Warum bleibt der Standort dennoch im Landesentwicklungsplan und verunsichert so? Er sollte im letzten Jahr herausgenommen werden, weiß Wesels Bau-Fachbereichsleiter Michael Klessa.

Das vom SPD-Minister Harry Voigtsberger geleitete Wirtschaftsministerium sei am Zug. Zudem sind sich Wesel und Rees nicht einig. Die Stadt Wesel und die Politik favorisieren die Auskiesung durch die Firma Hülskens und Rückverlegung des Deiches, die der Auskieser bezahlen soll. Gleichzeitig soll es Retentionsfläche und Vogelgebiet statt Kraftwerk geben. Auch eine Marina bei Bislich soll in der Planung sein.

"Dem Land geht es um das gesamte Konzept, was dort geschehen soll. Aber theoretisch ist es weiter möglich, AKW oder Kohlekraftwerk zu bauen. Die Beschlusslage ist kritisch", sagte Klessa. Doch daran denkt selbst RWE als Flächeneigentümer nicht. Der Versorger bietet schon das Vahnumer Areal zum Kauf an — unter anderem der Kiesindustrie.

Damals: Herbert Knebel protestiert

Was angesichts der Japan-Katstrophe jetzt los wäre, wäre der Brüter gebaut worden, ist nicht auszudenken. Mancher verklärte Blick zurück auf den Widerstand ab 1975 wird berichtet. Wie war das damals?

Der Widerstand hatte prominente Namen. Uwe Lyko, bekannt als Herbert Knebel, war ganz vorne an der Demo-Front dabei. Er mischte kräftig mit im Kampf gegen den Brüter in Kalkar bei fast allen Veranstaltungen. Eine Zeit, aus der auch die enge Freundschaft zu Bruno Schmitz stammt.

Der Kabarettveranstalter und frühere Reeser Hauptschullehrer sorgte damals nämlich mit dem Duo "Bruno und Klaus" für die musikalisch-komödiantische Einstimmung der Kernkraftgegner. Vor mehr als 50 000 Protestlern spielte das Duo, sogar das Fernsehen filmte eifrig. Um den Widerstand zu finanzieren, der vor allem von Bauer Josef Maas initiiert wurde, nahmen Bruno Schmitz und seine Mitstreiter damals auch eine Anti-AKW-Schallplatte auf.

Bei der Plattenproduktion entstand die enge Freundschaft zu Uwe Lyko. Der wohnte damals nämlich in Moers in der WG, in der Bruno Schmitz die Widerstands-Songs einspielte.

Dass der Widerstand gegen Kernkraft maßvoll wieder erwacht ist, zeigt die Resonanz am Montag auf die Mahnwache am Berliner Tor.

(RP)
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