Wesel Angelika Milsters Stimme flutet den Dom

Wesel · Konzert in St. Willibrord: Am Ende sangen alle Besucher für Angelika Milster "Leise rieselt der Schnee" und andere Weihnachtslieder. Der Organist brachte zur Freude des Publikums den Zimbelstern des Instruments zum Tanzen.

 Großer Star der Musical- und Schlagerszene: Angelika Milster

Großer Star der Musical- und Schlagerszene: Angelika Milster

Foto: malz

Kaum ein Platz war am Dienstag frei im Dom. Gespannte Erwartung der Zuhörer lag spürbar in der Luft. Ein großer Star der Musical- und Schlagerszene hatte sich angekündigt: Angelika Milster. Zwei Tage nach ihrem 61. Geburtstag trat die vielseitige Künstlerin mit ungebrochener Kraft und strahlendem Temperament vor ihr Publikum, das sie quasi immer wieder symbolisch an ihre Brust drückte. Allein mit sich im wunderbar rot ausgeleuchteten Altarraum und einem kompetenten, unsichtbaren Organisten Jürgen Grimm im Hintergrund flutete sie den Dom mit ihrer großen Stimme und nahm wieder einmal die Rolle der großen Diva in Anspruch, die anderthalb Stunden lang ohne Pause die Menschen ausschließlich auf sich zu beziehen vermag und nicht nur mit Titeln, die die Hitparaden eroberten, zu fesseln versteht.

Das Weseler Publikum weiß, dass Milster mehr kann. Im vorweihnachtlichen Konzert gab es auch geistliche Musik der Klassik. Mühelos schlüpfte Milster in die Rolle von Tenören, Altistinnen und Schlagerstars oder Kätzchen und Mozart-Mäzeninnen aus großen Musicals. Mit ihrer kraftvollen Stimme kostete sie in jeder Lage alles an Sound aus, was geht. Ihr Sopran-Timbre ist allerdings mittlerweile etwas tiefer gelegt und zarte Töne gibt es selten, allerdings auch niemals harte.

Sie ist die geborene Verfechterin des deutsch gesungenen Textes. Sogar die sehnsüchtig-schmeichelweichen, amerikanischen Schneeflocken-Songs mit romantischem Pop-Zuckerguss sang sie in Deutsch. Anders im klassischen Teil zu Anfang: Händels "Lascia chio pianga" strömte italienisch dahin. Es wäre anders auch zu schade gewesen. Der feine Hauch an Heiserkeit störte nicht. Das charismatische Kyrie eleison, eins ihrer ganz großen Stücke, blieb lateinisch, ebenso wie das "Agnus Dei" von Bizet.

Der überwältigende Show-Act zu Ehren Gottes begann mit dem Vaterunser-Amen, das sie innig verströmen ließ, von sanften Orgelklängen umweht. Sofort sprang da der Funke über. Selbst die, die nie einen Gottesdienst besuchen, genossen andächtig jeden Ton. Sehr emphatisch und dramatisierend kam "Caro mio ben" herüber. Milster entwickelte die große Schlussphrase "Senza di te" imposant wie die großen Tenöre und fing so ihr Publikum. Man lauschte auf die klar artikulierten Texte, ließ sich die Geschichten erzählen: Die Nöte der Maria Magdalena im Ringen um ein Glaubensbekenntnis "Wie soll ich ihn nur lieben?" ("Jesus Christ Superstar") oder die überwältigende Schlussballade "Jerusalem". Huldvoll nickte Milster zum Applaus ihrer Fans, als gelte er in Wahrheit jemand anders. Es war, als wolle sie das Glück unters Volk tragen. Doch hielt sie auch für die Mütter der Afghanistan-Soldaten Zeilen des Antikriegssongs: "Sag mir, wo die Gräber sind?" bereit. Wenn sie auch ein wenig harmoniesüchtig in die Welt des kommerzialisierten Christfestes entführte, so glaubte man ihr doch die großen Gefühle. So gelang ein schöner Abend, an dem endlich doch noch die Grizabella aus Cats auftauchte ("Memory"). So kennt und liebt man Angelika Milster.

(age)
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