Kreis Wesel Der Magnet Günter Grass

Kreis Wesel · Riesiger Andrang in Hünxe-Drevenack bei der Eröffnung der Sommerausstellung in Haus Esselt: Literatur-Nobelpreisträger spricht über seinen Kunstlehrer Otto Pankok, zeigt Grafiken und Aquarelle.

Günter Grass zu Besuch im Otto-Pankok-Museum
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Günter Grass zu Besuch im Otto-Pankok-Museum

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Morgens noch ist Günter Grass bei der Akademietagung in Berlin, viel Streit und große Wut wegen der Ausstellung "60 Jahre 60 Werke", nachmittags dann, welch ein Kontrast, im Haus Esselt zur Eröffnung der "Sommerausstellung Otto Pankok und Günter Grass". Hier ist es zwar auch vorbei mit der sonntäglichen Ruhe, weil viele hundert Menschen gekommen sind. Und doch: ländliche Idylle und herrlicher Sonnenschein laden ein, Platz zu nehmen an Bänken und Tischen vor dem Haus Esselt in Hünxe-Drevenack. Für Kaffee und Kuchen ist gesorgt.

Dann um 17.15 Uhr beginnt die Eröffnung der Ausstellung gleich mit einem Höhepunkt, dem Gitarristen und Komponisten Ferenc Snétberger. Er spielt hinreißend. Es folgen die Begrüßung durch Dr. Helmut Brocke (Vorsitzender der Otto Pankok-Gesellschaft), die einleitenden Worte des Staatssekretärs für Kultur in NRW, Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, der Otto Pankok zitiert: "Es ist so schön hier, dass man es gar nicht sagen kann." Wieder spielt Snétberger, das Publikum hört gebannt zu, im Saal, an den geöffneten Fenstern und in dem Großzelt, das auf der Wiese neben Haus Esselt aufgebaut wurde.

Eva Pankok spricht. Ganz kurz. Sie berichtet von dem jungen Günter Grass, Schüler ihres Vaters, der ihr als ein genauer Beobachter auffiel. Sie bittet, an der Verbesserung der Welt mitzutun, auf Leute zuzugehen, und wenn man deren Sprache nicht versteht, solle man lächeln. Diese Sprache versteht jeder.

Als Kunststudent bei Pankok

Grass kommt ans Mikrofon, mit langem und herzlichem Beifall begrüßt. Zunächst kommt er auf den morgendlichen Ärger zu sprechen, dann spricht er über Pankok. Das heißt, er liest das Kapitel aus dem Buch "Beim Häuten der Zwiebel" vor, das von den Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie handelt. Es sind die Jahre 1948 bis 1952, schwere Jahre. Kunststudent Grass hat einen Schlafplatz im Zehn-Bett-Zimmer eines Caritas-Heims.

In den beiden ersten Akademiejahren ist er Schüler bei Sepp Mages, dann wechselt er zu Otto Pankok. "Mein neuer Lehrer mochte Mitte fünfzig sein, sah aber mit früh ergrautem Vollbart älter und in seiner geballten Würde ein wenig wie Gott Vater aus, wenngleich ihm keine biblische Strenge nachzusagen war, eher ein laxer, duldsamer Umgang mit seinen Schülern, die ihn weniger als Lehrer, mehr als prägende Gestalt erlebten. Nicht nur weil er hochgewachsen war, sah er über vieles hinweg." Der Anflug von Ironie ist nicht zu überhören. Oskar Matzerath in dem Roman "Die Blechtrommel" wird den Lehrer Pankok in der Gestalt des Professor Kuchen satirisch verfremden.

Eva Pankok ist nicht sicher, ob ihr Vater den Roman von Grass gelesen hat. Dass er darin zu einer literarischen Figur geworden ist, hat ihn nicht weiter interessiert. Er und Grass gingen als Künstler ihre eigenen Wege. Pankok und Grass sind sich, nachdem letzterer 1953 zu Karl Hartung nach Berlin gegangen war, nie wieder begegnet. Erst mit der Stiftung zugunsten des Romavolkes von 1997, dessen Preis nach Otto Pankok benannt wurde, hat Grass sehr deutlich gemacht, dass ihn sein Lehrer "mehr geprägt hat, als ich damals wahrhaben wollte".

Solche Prägung gilt nicht nur für den engagierten Bürger, sondern auch für den Künstler Grass. Zu nennen wäre hier die zentrale Bedeutung der Farbe Grau im Werk von Pankok und Grass, das Festhalten an der gegenständlichen Malerei, Übereinstimmungen bis in die Themenwahl ("Gefällter Wald", 1918 von Otto Pankok, "Totes Holz", 1990 von Günter Grass).

Als Zuhörer hätte sich mancher wohl gewünscht, dass Grass eine Rede mit direktem Bezug auf die zu eröffnende Ausstellung gehalten hätte. Er beließ es bei einer Lesung. Es folgte noch eine anstrengende Signierstunde. Viel Gedränge, worüber der eigentliche Anlass, die Doppelschau Pankok und Grass, fast in den Hintergrund trat.

(RP)
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