Wesel Horrorzahlen bremsen Betuwe

Wesel · Bahnchef Grube hat angekündigt, dass der Ausbau der Betuwe samt Lärmschutz bis 2015 nicht zu schaffen ist. Der Realismus überrascht die Akteure in der Region nicht. Unterdessen zeichnet sich ab, dass die Bahn bis 2025 mit einer enormen Steigerung der Zugfrequenz rechnet: 600 Züge pro Tag.

 Beim Besuch in Emmerich am 1. April 2010 hat Bahnchef Rüdiger Grube (l.) zu viel versprochen. Die Bahn kann ihren Zeitplan nicht halten.

Beim Besuch in Emmerich am 1. April 2010 hat Bahnchef Rüdiger Grube (l.) zu viel versprochen. Die Bahn kann ihren Zeitplan nicht halten.

Foto: Archiv

Es wäre zu schön gewesen. Die Ferien gehen vorbei, und die Betuwe steht still im Sommerloch. Ausgerechnet Bahnchef Rüdiger Grube hat jetzt dafür gesorgt, das Projekt wieder in den Fokus zu rücken. In Düsseldorf hat er jetzt den Zeitplan für den Ausbau infrage gestellt. Beim Bahngipfel in Emmerich hatte er am 1. im April 2010 noch von einem Baubeginn in 2012 gesprochen, dann war von 2015 die Rede. Jetzt heißt es: "Auch 2015 wird nicht zu halten sein", so Grube in der Landeshauptstadt. Jetzt steht 2020 im Raum.

Die Äußerungen des Bahn-Chefs versetzen Insider kaum in Unruhe. Sie hatten seine optimistischen Ankündigungen in Emmerich ohnehin für einen April-Scherz gehalten. "Das, was Grube jetzt verkündet, haben doch alle erwartet", sagt Gert Bork, Sprecher der Weseler Bürgerinitiative "Betuwe — So nicht". Er lässt sich nicht aus der Urlaubsruhe bringen. "Immerhin bekräftigt der Bahnchef, dass drittes Gleis und Lärmschutz tatsächlich kommen sollen", sagt Bork. Die Bahn habe nur den Realismus auf die Schiene gesetzt.

Auch Hamminkelns Bürgermeister Holger Schlierf, Sprecher der Anrainer-Kommunen, haut das geöffnete Zeitfenster nicht vom Hocker. Er wäre nach der Verspätung der Planfeststellung schon froh, wenn das Milliarden-Projekt "2019 abrechnungsfähig fertig" ist. Dass sich in Sachen Lärmschutzberechnungen was tut, sei allen Beteiligten lange bekanntgewesen. Es hätten völlig neue Berechnungen aufgrund signifikant geänderter Prognosen angestellt werden müssen.

"Unvorstellbare Dimensionen"

Schlierf sprach von "völlig unvorstellbaren Dimensionen" der künftigen Belastung auf der Strecke. Die Zugfrequenz — Güter- und Personenverkehr — sei jetzt schon um die Hälfte gestiegen — auf etwa 500 Züge pro Woche. Bahnexperten gehen inzwischen davon aus, dass in 15 Jahren 600 Züge am Tag rollen. "Das wäre mit vier Meter hohen Lärmschutzwänden nicht mehr zu bewerkstelligen", so Schlierf. Vielleicht aber bringe das gigantische Ausmaß innovativen Lärmschutz nach vorn. Den immerhin hat Grube angekündigt. Doch Schlierf bleibt höchst skeptisch. Er sieht nur, dass "die Bahn immer weiter vorankommt und die Belange Bürger still auf der Strecke stehen".

Das Schreckgespenst Blockverdichtung (optimales Ausreizen der Strecke durch kürzere Zugabstände) — die Planfeststellung läuft auch hier noch nicht — stehe technisch zwar in den Startlöchern, so Schlierf, bringe aber auch die Bahn in eine "Sackgasse". Die Lärmbelastung stoße "in kritische Grenzbereiche" vor. SPD-Fraktionschef Ludger Hovest reagiert politisch weniger korrekt: "Es ist eine Schande. Wir werden von der Bahn weiter betrogen und belogen." Die technische Hochrüstung der Strecke sei fertig. Die Bahn habe nun alle Zeit der Welt für den Streckenausbau, Lärmschutz inklusive. Hovest legt für Wesel nach. Die Beseitigung des Bahnüberweges am Holzweg dulde keinen Aufschub. "Der muss vorgezogen werden."

Auch Grünen-Sprecher Johannes Flaswinkel aus Mehrhoog nimmt kein Blatt vor den Mund. "Für die Verspätung ist allein die Bahn verantwortlich", sagt er. "Die Bahn hat sämtliches Vertrauen verspielt. Die Bürger fühlen sich nur noch ver . . ."

(RP/rl)
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