Kreis Heinsberg Helfer rufen selbst nach Hilfe für Pflege

Kreis Heinsberg · Freie Wohlfahrtsverbände fordern: Ambulante Pflege braucht mehr Zeit für Menschen und eine angemessene Vergütung. In Hückelhoven nahmen zwei Landtagsabgeordnete die Einladung an, eine Pflegetour mitzufahren.

Daniel Bahr: Ein Bergsteiger will hoch hinaus
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Kompressionsstrümpfe anziehen oder einen komplizierten Verbandswechsel durchführen — die CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Gerd Hachen und Bernd Krückel erlebten Montagmorgen die Arbeit ambulanter Pflege im häuslichen Umfeld. Im Rahmen der Kampagne "Hilfe! Mehr Zeit für die Pflege!" hatte die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Heinsberg die Abgeordneten eingeladen. Den Grund erklärte Andreas Wagner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, nach der Pflegetour im Gesundheits- und Sozialzentrum der Arbeiterwohlfahrt in Hückelhoven: "In der ambulanten Pflege verspüren wir eine gewisse Notsituation, weil Geld fehlt und die Zeit für die Pflege am Kunden."

Caritas-Geschäftsführer Gottfried Küppers machte das Dilemma deutlich: "Die Nachfrage nach Pflege steigt, die Bereitschaft, sich für diesen Beruf zu entscheiden, sinkt." Weil die Erstattungen vonseiten der Krankenkassen nicht mehr kostendeckend seien, gab er offen zu, "dass die Träger nur überleben können, wenn sie die Touren straffer planen — auf Kosten der Mitarbeiter und Patienten". Unter Zeitdruck sei es äußerst schwierig, eine Beziehung zum Patienten aufzubauen. Küppers appellierte an die Politiker, sich für bessere Vergütung starkzumachen, damit die Dienste weiter gute Pflege leisten können: "Wir kriegen es nicht mehr hin, mehr einzusparen und adäquat zu pflegen."

"Die Botschaft ist deutlich angekommen", sagte Dr. Gerd Hachen. Ihm sei die soziale Komponente des Berufs bewusst. "Man sucht auch die menschliche Zuwendung. Wenn ein Großteil der Zeit Dokumentationspflichten dient, kann das nicht optimal funktionieren." Bernd Krückel blickte mit Sorge auf die Finanzierbarkeit der Pflege in den nächsten Jahren und sah besondere Probleme in der Konkurrenz von Tariflöhnen zu Dumpingpreisen.

Bärbel Raab von der Caritas-Pflegestation Hückelhoven wünscht sich, wie früher die Gemeindeschwester, "mehr auf die Sorgen und Nöte der Menschen eingehen zu können" und sich nicht auf das rein Fachliche beschränken zu müssen. "Es ist deprimierend, wenn ich das Gefühl habe, ich muss da durchschießen und Gespräche abblocken. Wir müssen eine Menge leisten in der kurzen Zeit." Awo-Pflegedienstleiterin Eleonore Hintzen zählte Arbeitsbereiche auf, die kaum gesehen werden: Arztgespräche, Beratung Angehöriger, Tourenplanung, Bereitschaftsdienste und mehr. Gottfried Küppers erwähnte Kleinigkeiten, die Kunden erwarten, wie Rollläden hochziehen, Brötchen mitbringen, den Müll raustragen: "Am Ende summiert sich die Zeit so, dass es nicht mehr wirtschaftlich ist. Das kann doch nicht wahr sein!" Monika Peters, Abteilungsleiterin Gesundheit und Pflege im Caritasverband, brachte es auf den Punkt: "Pflege hat etwas mit Beziehung zu tun, und das kann man nicht im Minutentakt abrechnen."

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(RP/ac)
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