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Fall Mirco Mircos Eltern stellen Buch vor

Grefrath/Berlin · Unaufgeregt sitzen sie auf dem Podium, vor ihnen eine Reihe Kameras und Fotografen, dahinter rund 25 Journalisten. Reinhard und Sandra Schlitter zeigen keine Nervosität, als sie am Donnerstag in Berlin ihr Buch zum Tod ihres Sohns Mirco vorstellen.

Eltern von Mirco schildern Erfahrungen in einem Buch
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Eltern von Mirco schildern Erfahrungen in einem Buch

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Foto: Wolfgang Kumm

Vor zwei Jahren wurde der Zehnjährige aus Grefrath sexuell missbraucht und ermordet. Erst nach 145 Tagen fand die Polizei Täter und Leiche. Die Zeit der Hoffnung und des Wartens, den Moment der schrecklichen Gewissheit, die Gerichtsverhandlung, auch die Geschichte ihrer Familie schildert das Ehepaar auf rund 190 Seiten.

Die Schlitters sind gläubige Christen, und auch über die Hilfe durch ihren Glauben schreiben sie viel. "Verlieren, verzweifeln, verzeihen", heißt daher der Untertitel des Buchs, die Überschrift lautet schlicht "Mirco". "Wir wollten noch einmal in Erinnerungen schwelgen", sagt Mircos Mutter zu ihrer Motivation, das Buch zu verfassen. Sie hätten noch einmal anschauen wollen, was sie in den zehn Jahren mit Mirco erlebt hätten. "Ich wollte etwas Positives sehen, damit ich nicht daran kaputt gehe", fügt sie hinzu.

Über die Tat zu sprechen fällt den beiden trotz des Buches schwer. "Es ist beklemmend, darüber zu reden", sagt Reinhard Schlitter. Am 3. September 2010 kam Mirco nach einem Besuch auf der Skaterbahn nicht nach Hause. In den Tagen danach habe er "nur reagiert", sagt sein Vater. Im Buch schreibt der 44-Jährige, er habe "wie in Trance" die Verhöre bei der Polizei über sich ergehen lassen. "Man ist nicht im Krieg, man war nicht an einem schweren Verkehrsunfall beteiligt, man kann nur versuchen einem geliebten Menschen nachzufühlen, der plötzlich räumlich nicht mehr da ist", beschreibt er seine Gefühle.

In den ersten Wochen nach dem Verschwinden Mircos zieht sich die Familie zurück, "hält zusammen", wie Sandra Schlitter es ausdrückt. Sie meidet die Presse und lebt von der Hoffnung. Nach 21 Tagen wenden sich die Eheleute in einem Fernsehaufruf an die Öffentlichkeit. "Wir haben gefleht, gebeten und gebettelt, endlich ein Zeichen zu bekommen", schreibt die 36-Jährige. Doch vom Täter fehlt weiterhin jede Spur.

Im Januar 2011 macht die Polizei ihn schließlich nach einer neuen Zeugenaussage dingfest. Olaf H. legt ein Geständnis ab und führt die Beamten zur Leiche. "Die Nachricht verschwimmt bei Sandra und mir in unendlichen Tränen", schreibt Mircos Vater. Sie beten, um mit der Situation umzugehen. Und sie sind "dankbar", dass der Täter ihnen die Chance gibt, sich von ihrem Sohn zu verabschieden.

"Die Nachricht von der Verhaftung des möglichen Täters bringt das ganze Städtchen Grefrath auf die Beine", berichtet Sandra Schlitter. Die Vorstellung, dass so eine Tat sich wiederholen könnte, habe viele Menschen "misstrauisch und mürbe" gemacht. Manche Grefrather wenden sich gar gegen die Mutter, die ihren Sohn nicht von der Skaterbahn abgeholt habe. Die Familie verlässt den Ort für einige Tage, um Luft zu holen. Zur Beerdigung kommen auch viele Beamte der Polizeisonderkommission. "Ihr habt uns mehr getröstet als wir euch", sagen sie den überraschten Eheleuten.

Von der Gerichtsverhandlung erhoffen sich die Eltern mehr Klarheit, doch der Täter schweigt. Er erhält die Höchststrafe von 15 Jahren und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Das Urteil kommentieren die Schlitters nicht. "Wir möchten nicht über den Täter urteilen", schreiben sie. Sie wollen ihn auch nicht hassen, sagen sie am Mittwoch. "Dieser Mensch ist aus der Welt und ihrer Ordnung gefallen", schreibt Reinhard Schlitter in dem Buch. "Wir wollen unsere Herzen nicht von negativen Gefühlen vergiften lassen", schreibt seine Frau.

Die Familie strebt zwei Jahre nach dem Tod des Sohns nach Normalität. Drei weitere Kinder, sagen die Eltern, sehnten sich danach, "nicht immer an den Verlust erinnert zu werden". Mit Olaf H. haben sie noch nicht versucht, Kontakt aufzunehmen. "Es gab kein Signal, dass er das will", sagt Mircos Mutter.

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