Krefeld/Grefrath Beifall für das Urteil im Fall Mirco

Krefeld/Grefrath · Am elften Verhandlungstag verkündete das Krefelder Schwurgericht das Urteil gegen den 46-Jährigen Familienvater Olaf H. aus Schwalmtal. Weil die Kammer es als erwiesen ansieht, dass er den zehnjährigen Mirco aus Grefrath missbraucht und ermordet hat, muss er lebenslang in Haft.

Das Urteil im Mirco-Prozess
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Heute wird Olaf H. 46 Jahre alt. Es ist der erste Geburtstag, den er in einer Haftanstalt verbringt, der erste Geburtstag als verurteilter Mörder. Die lebenslange Freiheitsstrafe, die Richter Herbert Luczak, Vorsitzender des Krefelder Schwurgerichts gestern verkündet, hat er erwartet, sagt sein Verteidiger Gerd Meister. Während vor dem Gericht Dutzende für eine harte Verurteilung von Sexualstraftätern demonstrieren, hört Olaf H. im Gerichtssaal scheinbar regungslos auf der Anklagebank das Urteil. Und dass die Kammer die besondere Schwere seiner Schuld feststellt. Dass die lebenslange Freiheitsstrafe für Olaf H. somit nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird, ist nun so gut wie ausgeschlossen.

Nachdem der Kammervorsitzende das Urteil verlesen hat, gibt es einzelne Beifallsbekundungen aus dem Zuschauerraum, die Luczak unterbindet. Im Zuschauerraum sitzt auch Ingo Thiel (48). Der Kriminalhauptkommissar leitete die Sonderkommission Mirco, jene zuletzt 65 Personen starke Ermittlungsgruppe, die das Schicksal des zehnjährigen Mirco klärte und Olaf H. als Täter ermittelte.

Das Urteil ziehe nach mehr als einem Jahr einen Schlussstrich, sagt Thiel. Er habe es so erwartet, wie es gefällt worden sei. Ihn freue, dass das Gericht die Arbeit der Kollegen in der Soko gewürdigt habe. Nun hoffe er mit Mircos Familie, dass sie ihren Frieden finde. Auf den Täter angesprochen sagt der Hauptkommissar, der sei ihm immer noch egal, und das werde auch so bleiben.

Anhand von Handydaten des Täters war Olaf H. in das Fahndungsraster der Soko geraten. Faserspuren an Mircos Kleidung, die der Täter nach dem Missbrauch und dem Mord entlang der L 39 zwischen Wankum und Grefrath und an einem Parkplatz zwischen Grefrath und Nettetal entsorgt hatte, belegten schließlich eindeutig: Der Familienvater hatte Mirco am Abend des 3. September 2010 in seinem Firmenwagen entführt. Nach seiner Festnahme am Morgen des 26. Januar schließlich führte der Täter die Polizei zu der Stelle bei Kerken, wo er Mirco missbraucht, erdrosselt und dessen nackte Leiche abgelegt hatte.

Mircos Eltern sind auch am letzten Prozesstag in den Schwurgerichtssaal gekommen. Neben ihrer Rechtsanwältin Gabriele Reinartz hören sie das Urteil und seine Begründung. Mircos Vater schaut minutenlang mit gesenktem Kopf auf den Tisch, als der Vorsitzende vorträgt, wie nach Überzeugung des Gerichtes die letzten Minuten im Leben des Zehnjährigen abgelaufen sein könnten. Die Gründe für die Tat, sagt der Richter, blieben unklar. Auch wenn das die Eltern nach Angaben ihrer Anwältin nicht zufrieden stellen könne, seien sie froh, dass das Gericht die Schwere der Schuld festgestellt habe. Der Prozess sei ein weiterer Teil der Trauerarbeit der Eltern gewesen.

Das Gericht geht davon aus, dass Olaf H. bei seiner Tat ein Gefühl der Allmacht habe erleben wollen. Er habe einen anderen Menschen demütigen wollen, ein Kind, das ihm körperlich deutlich unterlegen gewesen sei. Die Erklärung des Angeklagten, er sei am Tatabend vier Stunden lang durch Teile der Kreise Kleve und Viersen gefahren, weil er einen Ort zum Austreten gesucht habe, hält das Gericht nicht für glaubhaft.

Ziel der Fahrt sei es gewesen, so die Überzeugung der Richter, sich eines Kindes zu bemächtigen und es sexuell zu missbrauchen. Auch die Aussage des Täters, das Verbrechen sei zufällig geschehen, hält die Kammer nicht für glaubhaft. Eine Spontantat sei der Mord nicht gewesen. Glauben schenken die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen auch nicht der Darstellung von Olaf H., er habe die Tat begangen, um beruflichen Stress abzubauen. Er habe dafür noch im Gerichtssaal ein Telefonat mit seinem Vorgesetzten vom Tattag angeführt, dass es nachweislich nicht gegeben habe, in dem der Vorgesetzte Olaf H. "zusammengefaltet" haben soll.

Richter Luczak sagt, das Gericht sei überzeugt: "Mirco war sich klar, dass mit ihm etwas Schlimmes passieren werde." Allein die fast halbstündige Autofahrt in der Dunkelheit von Grefrath zum Tatort bei Kerken, die das Gericht im Verfahren anhand einer von der Soko Mirco per Video dokumentierten Rekonstruktionsfahrt vorgestellt hatte, müsse für den Jungen eine Qual gewesen sein. Allein dies rechtfertige nach Überzeugung des Gerichts, die besondere Schwere der Schuld von Olaf H. festzustellen. Mirco müsse es zudem als Gefühl der Ohnmacht empfunden haben, dass er dem Täter im Auto nackt ausgeliefert gewesen sei. Der Täter "war sich der Ohnmacht des Kindes bewusst, das wollte er erreichen", sagt der Vorsitzende.

Gerd Meister, der Verteidiger von Olaf H., erwägt, vorsorglich Revision gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof einzulegen, vor allem gegen die Feststellung der Schwere der Schuld. Zugleich räumt er ein, dass das Schwurgericht seine Auffassung sehr gut begründet habe. Sein Mandant empfinde Reue und völliges Unverständnis gegenüber der Tat.

(RP)
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