Korschenbroich St. Andreas schweigt in der Nacht

Korschenbroich · Von 22 bis 6 Uhr schlägt die Glocke der St.-Andreas-Kirche nicht mehr. Ein Anwohner hatte das Amt für Umweltschutz eingeschaltet: Messungen ergaben, dass die Glockenschläge über den Lärmrichtwerten lagen.

Eine jahrhundertealte Tradition hat in Korschenbroich ein jähes Ende gefunden: Zwischen 22 und 6 Uhr schlägt die Glocke der St.-Andreas-Kirche nicht mehr. Ein Anwohner hatte sich vor wenigen Wochen beim Amt für Umweltschutz des Rhein-Kreises Neuss beschwert. Messungen ergaben, dass die nächtlichen Stundenschläge der Kirchturmglocke über den zulässigen Lärmrichtwerten lagen.

"Das Amt hat sich daraufhin sofort mit der Pfarrei und dem Bistum in Verbindung gesetzt", sagt Kreissprecher Harald Vieten. Eine Verfügung erging allerdings nicht. "Die Verantwortlichen haben von sich aus entschieden, die Glocke in der Nacht abzuschalten."

"Ich habe dafür kein Verständnis"

"Wir waren zum Handeln gezwungen, auch wenn wir diesen Schritt allesamt sehr bedauern", sagt die stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Dr. Rita Mielke. "Die zweite Option, die Lautstärke zu regulieren, wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen und hätte auch dazu geführt, dass die Glocke tagsüber leiser geschlagen hätte. Das wollten wir nicht." Als "befremdlich" bezeichnet Mielke das Vorgehen des Anwohners, der direkt die Behörden eingeschaltet hätte. "Man hätte doch zuerst das Gespräch suchen können. Jetzt sind uns die Hände gebunden, da wir auch seinen Namen nicht kennen."

Die Rechtsprechung ist eindeutig: Kann sich die Kirche bei liturgischem, also religiös motiviertem Glockengeläut auf das Grundrecht der Religionsfreiheit berufen, so ist ihr dies beim sogenannten weltlichen Stundenläuten verwehrt. Hier unterliegt auch sie den allgemeinen Lärmrichtwerten. "Wir sind überzeugt, dass der überwiegende Teil der Korschenbroicher das Glockenläuten schätzte. Viele Menschen werden es vermissen", befürchtet Mielke.

Zum Beispiel Christoph Kamper, dessen Schlafzimmer nur 20 Meter entfernt der Kirche im dritten Stock liegt. "Wir schlafen gerne bei offenem Fenster", erzählt Kamper. "Das Läuten der Glocken hat mich noch nie gestört. Dann schon eher das Zwitschern der Vögel im Sommer morgens. Aber auch sie kann man ja nicht einfach abschalten." Kamper glaubt, dass es eine Frage der Gewöhnung sei. "Es mag sein, dass die ersten zehn Nächte schwierig sind. Aber dann hört man das Läuten nicht mehr." Als "unmöglich" bezeichnet eine weitere Anwohnerin die Beschwerde. "Wer in die Nähe einer Kirche zieht, muss damit rechnen, dass sie läutet. Er sollte sich im Vorfeld erkundigen. Ich habe dafür keinerlei Verständnis." Eine Stimme gegen alle — das sei nicht in Ordnung. Kommentar

(RP/rl)
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