Korschenbroich Vom Kegeln und Sitzen

Korschenbroich · Rom hat Katakomben, Moskau hat prachtvolle U-Bahn-Stationen im spätstalinistischen Barock und Korschenbroich hat eine Kegelbahn im Keller des Sportzentrums am Hallenbad. Nein, nein – das ist durchaus ernst zu nehmen! Denn dieser Kegelkeller entwickelt sich zu einer internationalen Attraktion – zumindest in Japan. In wenigen Tagen wird erneut eine Delegation aus Nippon nach Korschenbroich kommen, um im Souterrain des Sportzentrums das Kegeln zu lernen. Denn die Japaner kennen zwar rohen Fisch im Reismantel und Gartenlandschaften, in denen nur Kieselsteine wachsen – aber Kegeln kennen sie nicht. Seit sich voriges Jahr eine erste Delegation in Korschenbroich vom Verein Sport ältere Generation in die Kunst des Pudel-Werfens einführen ließ, hat Japan aber eine erste Ahnung von der Eleganz dieses urdeutschen Sports. Von "außergewöhnlicher Begeisterung" bei Nippons Söhnen und Töchtern spricht gar der Verein Sport ältere Generation – und freut sich auf die nächsten japanischen Gäste im Kegelkeller. Schön.

Zumal die Korschenbroicher ja auch in Zeiten verheerender Katastrophen Mitgefühl mit den Menschen im fernen Japan empfunden und gezeigt haben. Als Aya Murakami, eine in Korschenbroich lebende Japanerin, dazu aufrief, tröstende Briefe an die Opfer von Tsunami und Atomkatastrophe zu schreiben, machten Hunderte Korschenbroich Kinder mit. Der Turnverein organisierte einen Spendenlauf und zig Einwohner der Bonsai-Metropole am Trietbach wechselten vom bevorzugten Parade- in den Laufschritt und rannten fast 400 Euro zusammen.

Tja, so anspruchsvoll die Eingeborenen auch sein können, wenn es darum geht, ihr Städtchen ebenso scheckheftgepflegt in Schuss zu halten wie ihre Vorgärten – so wild entschlossen können sie auch sammelnd, spendend und tombolierend anpacken, wenn sie bei einem Mitmenschen das Gefühl haben: Dem jeht et aber überhaupt nich jut! Da einige der Gäste, die demnächst kommen, aus Fukushima stammen sollen, werden sie gewiss besonders herzlich empfangen.

Und was könnten die Korschenbroicher von den Japanern lernen? Die Weisheit der Zen-Lehre vielleicht? Durch Zazen – tief versunkenes Meditieren im Sitzen – soll dabei ein Zustand der völligen inneren Befreiung erreicht werden, nach dem Motto: "Es gibt nichts zu erreichen, nichts zu tun und nichts zu besitzen." Lange sitzen, tief grübeln, nichts erreichen und am Ende auch nix auf der Naht haben – das klingt allerdings verdächtig nach einer eingeübten Korschenbroicher Praxis: Klausurtagung von CDU und SPD zum Thema Stadtfinanzen.

(RP)
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