Krefeld Pinguine Der letzte Staatstrainer der DDR

Krefeld Pinguine · Der sportliche Berater der Krefeld Pinguine, Rüdiger Noack, hat bei einem Dutzend Eishockey-Weltmeisterschaften und bei den Olympischen Spielen in Grenoble für die DDR gespielt. 1989 und 1990 arbeitete er als Trainer der Auswahl Deutschland-Ost.

 Rüdiger Noack, geboren in der Eishockey-Hochburg Weißwasser, lebt seit mittlerweile 20 Jahren in Krefeld. "Hier fühle ich mich heimisch", erzählt der 67-Jährige im Interview mit RP-Sportredakteur Oliver Schaulandt.

Rüdiger Noack, geboren in der Eishockey-Hochburg Weißwasser, lebt seit mittlerweile 20 Jahren in Krefeld. "Hier fühle ich mich heimisch", erzählt der 67-Jährige im Interview mit RP-Sportredakteur Oliver Schaulandt.

Foto: Lammertz, Thomas

Wäre Rüdiger Noack in der Eishockey-Hochburg der 50er und 60 Jahren, in Füssen, geboren, wäre er heute eine lebende Legende in ganz Deutschland. Stattdessen kam er 1944, am 30. November, aber in Weißwasser zur Welt.

Das in der Oberlausitz in Sachsen liegende Städtchen ist zwar auch eine Hochburg der schnellsten Mannschaftssportart der Welt, lag von uns aus gesehen aber hinter der am 13. August 1961 errichteten Mauer im zweigeteilten Deutschland, in der Deutschen Demokratischen Republik, kurz: DDR. Und daher ist sein Name im Westen weniger bekannt als etwa "Mister Eishockei" Xaver Unsinn oder der "Kleiderschrank auf Kufen", Erich Kühnhackl.

Im Osten des Landes ist Rüdiger Noack ein geachteter Sportler. In 241 Länderspielen trug er das Trikot der DDR-Auswahl, für den DDR-Rekordmeister Dynamo Weißwasser, dessen Präsident er später werden sollte, schrubbte er auf dem Eis Kilometer herunter wie kaum ein anderer.

"Bei uns wollte damals jeder Junge Eishockey spielen", erzählt der 67-Jährige, der seit nunmehr 20 Jahren in Krefeld wohnt. Im Winter allerdings gab es nur knapp drei Wochen Eis damals, an eine Eishalle wagte niemand zu denken, so dass es manchmal vorkam, dass mitten in der Nacht sein Trainer plötzlich an der elterlichen Haustüre Sturm klingelte und mit den Worten "Es hat gefroren" Klein-Rüdiger und den Rest der Familie aus dem Bett warf. "Und dann haben wir nachts zwischen zwei und vier Uhr trainiert", erzählt Noack, der sich seine ersten Schlittschuhe mit drei anderen Jungs teilte.

Alle Jugendmannschaften bei Dynamo durchlief Rüdiger Noack, 1963 schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft und ins Nationalteam. Beim 1:4 gegen Schweden bestritt er sein erstes Länderspiel. Ein Jahr später hätte er beinahe zu den Olympischen Spielen für sein Land nach Innsbruck fahren dürfen. "Aber seinerzeit gab es noch Ausscheidungsspiele zwischen West- und Ost-Deutschland, und wir haben verloren." Erst 1968, in Grenoble, durften beide Länder mitmischen. Auch Noack.

Die DDR-Auswahl war seinerzeit mit großen Erwartungen nach Frankreich gereist. Doch das Turnier geriet zum Debakel. Keinen Punkt holte das Team für die Nationenwertung, und trotz des fünften Ranges 1970 bei der WM entschied die damalige Staatsführung kurze Zeit später, dass Eishockey nicht mehr förderungswürdig sei. Die wenigen Eishallen waren den Eiskunstläufern und den Eisschnellläufern vorbehalten, und die Funktionäre ließen sich ein Höchstmaß an kreativen Ausreden einfallen, warum keine weiteren Hallen gebaut würden. "Wir können keine Eishalle bauen, weil wir Schiffe voll Apfelsinen für die Bevölkerung bezahlen müssen, hieß es zum Beispiel." Rüdiger Noack spielte weiter für Weißwasser, zusammen mit 15 Kumpels. "Der Frust gegen die Sportfunktionäre war unsere größte Motivation", erzählt er heute.

1975 dann zählte er zum Team, das gegen West-Deutschland mit 5:0 gewann und die B-Weltmeisterschaft holte. "Eigentlich sollten wir deshalb 1976 zu Olympia fahren", sagt Noack. Doch erneut entschied die Politik dagegen, und wieder einmal schauten Noack und seine Mitstreiter in die Röhre.

1977 beendet er seine aktive Laufbahn, in der er acht Jahre Kapitän der DDR-Auswahl war, machte sein Studium als Diplom-Sportlehrer zu Ende und begann als Trainer-Assistent in Weißwasser, um ein Jahr später dort den Cheftrainerposten zu übernehmen. "Plötzlich aber hieß es, dass alle guten Spieler nach Berlin mussten, um dort eine starke Mannschaft aufzubauen", erinnert sich Noack, der die Verbliebenen aber im Anschluss fünfmal in Folge zur Vize-Meisterschaft führte.

"Wir waren etwa 40 Mann, und wir haben uns geschworen, dass die da oben uns nicht klein kriegen würden", sagt Noack. Auch wenn es vielleicht so klingt: Es ist keine Verbitterung in seiner Stimme zu hören. "Meine aktive Zeit war sicherlich die Schönste. Wir haben zwar nicht gut verdient, aber hatten viele Privilegien." Mit seinem Team durfte er viel reisen, auch ins Ausland. Und 1989, zur B-WM in Frankreich, da wurde er zum Cheftrainer des DDR-Auswahlteams befördert.

Bis 1990 war er in dieser Funktion tätig, danach waren die DDR und auch das Team Geschichte. Dynamo Weißwasser wurde in die damalige gesamtdeutsche Bundesliga aufgenommen. Das Team war soeben der letzte DDR-Oberliga-Meister geworden, und Rüdiger Noack war der Präsident. Dennoch ging er dann in den Westen, nach Bayreuth.

Mit seiner Frau Renate, seinem Sohn Ron (spielte unter anderem Eishockey beim EV Duisburg) und seiner Tochter Constanze (lebt heute mit dem ehemaligen Pinguine-Profi Neil Eisenhut und Söhnchen Noah in Kanada) ging er 1992 auf Vermittlung des damaligen KEV-Vorsitzenden Ulli Urban nach Krefeld — als Cheftrainer im Nachwuchs. Nach dem Konkurs des Clubs wurde er 1995 Manager der neu gegründeten Pinguine und blieb es bis 2001. Bei der Stadt Krefeld arbeitete er bis vor drei Jahren als Beauftragter für außerordentlichen Schulsport. "Mittlerweile fühle ich mich wirklich zu Hause in Krefeld", sagt Rüdiger Noack.

(RP/rl)
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