Krefeld Anzeigenflut gegen gewalttätige Väter

Krefeld · In Krefeld hat man auf die steigende Gewalt in Familien mit einem Netzwerk reagiert. Die Polizei sieht Erfolge. 700 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt sind im vergangenen Jahr bei der Krefelder Polizei eingegangen.

 Krefelds Polizeipräsident Rainer Furth präsentierte gestern neue Zahlen zur Gewalt in Familien.

Krefelds Polizeipräsident Rainer Furth präsentierte gestern neue Zahlen zur Gewalt in Familien.

Foto: Thomas Lammertz

Diese Zahl nannte Polizeipräsident Rainer Furth gestern bei einer Fachtagung zum Thema "Schutz vor häuslicher Gewalt" im Krefelder Polizeipräsidium und verwies auf eine beträchtliche Dunkelziffer nicht bekannter Fälle. Das Anzeigenaufkommen sei in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Meist waren Familienväter die Gewaltverursacher.

Die Krefelder Polizei machte auf die neuen Zahlen aufgrund des vor genau zehn Jahren in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetzes aufmerksam. Mit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes änderte sich 2002 auch die Rolle der Polizei: Sie darf Gewalttäter bis zu zehn Tage aus der Wohnung aussperren. In Krefeld bildete sich direkt in 2002 ein Netzwerk von Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe sowie nichtstaatlichen Hilfsorganisationen.

"Krefeld ist damit sehr gut aufgestellt", sagte gestern Stadtdirektorin Beate Zielke. "Gewaltschutz haben wir zur Chefsache gemacht", sagte Furth, "denn häusliche Gewalt ist kein Familienstreit, sondern eine Straftat."

Ging früher das meist weibliche Opfer in ein Frauenhaus, so gilt heute: Das Opfer darf bleiben, der Täter muss gehen. "Häusliche Gewalt ist in den meisten Fällen Beziehungsgewalt, die auf Abhängigkeiten aufbaut und deshalb lange erduldet wird", führte Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann aus. Die Täter sähen darin einen Erfolg ihrer Taten.

Eine solche Spirale der Gewalt gelte es zu unterbrechen. Notrufe wegen häuslicher Gewalt träfen meist spätabends oder an Wochenenden ein. In diesen Zeiten würde sich aufgrund der familiären Nähe und genossenen Alkohols eine gewaltbereite Spannung aufbauen. Wenn die Polizei bis zu zehn Tage eine Rückkehr des Gewalttäters in die Wohnung untersagen könne, würde eine Lücke beim Schutz der Opfer geschlossen.

Karin Kretzer vom Polizeipräsidium Krefeld erklärte die Zahlen: Bei den Wohnungsverweisen liegt Krefeld weit unter Landesdurchschnitt, bei Vermittlungen an eine qualifizierte Beratungsstelle weit darüber. Inzwischen machen 90 Prozent der Betroffenen in Krefeld von dem Beratungsangebot Gebrauch.

Landesweit wuchs in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt von 14 500 auf 25 000, die der Wohnungsverweise von 4900 auf 12 000. Schürmann erkannte darin keinen Anstieg dieser Straftaten, sondern die Aufhellung des Dunkelfeldes. Kinder sind immer bei häuslicher Gewalt betroffen.

Claudia Bundschuh von der Hochschule Niederrhein fordert geschlechtsspezifische Hilfsangebote für Kinder als präventive Maßnahme. "Familien, in denen Gewalt ausgeübt wird, schließen sich nach außen ab." Dadurch wäre es den Kindern verwehrt, gewaltfreie Handlungsmuster von Anderen zu lernen. Mädchen übernähmen das Duldungsmuster der Mutter in ihre Geschlechtsidentität, und Jungen eigneten sich das gewalttätige Verhalten des Vaters an.

Kita, Schulen und Polizei müssten besonders genau hinsehen, was in den Familien geschähe. Polizeipräsident Furth erweiterte den Kreis der Aufpasser, als er forderte: "Wir müssen die Kinderärzte stärker in unser Netzwerk einbinden und an die Chimäre der Ärzteverschwiegenheit herangehen."

(RP/rl)
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