Krefeld 2013 sind die Wespen besonders zahlreich

Krefeld · In Krefeld ist am Mittwoch ein 33-jähriger DHL-Fahrer von einem Schwarm Wespen attackiert worden. Auch Feuerwehr und Polizei wurden angegriffen. Wegen des schönen, warmen Herbstwetters sind die Wespen länger aktiv.

Nasser El Manichi kann es noch immer nicht glauben: Seit einigen Stunden liegt der 33-Jährige mit einem zugeschwollenen Gesicht auf der Intensivstation in einem Krefelder Krankenhaus. Sein Körper ist mit Stichen übersät. Bei seiner Auslieferungstour am Morgen ist der DHL-Paketbote von einem Wespenschwarm angegriffen worden.

Der Postbote flüchtet - vergebens

"Plötzlich flogen 50 oder 60 Wespen auf mich zu, vielleicht aber auch mehr", sagt der gebürtige Marokkaner. Zehn Minuten kämpft er gegen die Tiere an. "Doch die ließen gar nicht mehr von mir ab, klebten überall an Kopf und Armen." In seiner Verzweiflung zieht El Manichi seinen Pulli aus und will die Wespen vertreiben. Er läuft davon und ruft um Hilfe, doch den angriffslustigen Insekten kann er nicht entkommen.

Mindestens 15 Mal wird er gestochen. Bis die Nachbarin, der er gerade eine Benachrichtigungskarte für ihr Paket in den Briefkasten werfen wollte, nach Hause kommt und den Rettungswagen alarmiert.

Stiche können ernste Folgen haben

Doch auch der Notarzt und die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei können zunächst nicht ungehindert auf das Grundstück. Weil sie durch die Wespen in ihrer Arbeit behindert werden, fordern sie ein Löschfahrzeug an und sperren den Bereich mit Flatterband ab. So sollen weitere Menschen vor Angriffen bewahrt werden. "Man weiß nie, wie die Menschen auf Stiche reagieren. Und dann noch auf so viele in kurzer Zeit. Das kann bis zum Atemstillstand gehen", sagt Feuerwehr-Sprecher Manfred Boters.

Die Wespenkolonie hat sich in einem Erdloch unter dem schmalen Grünstreifen nahe der Haustür eingenistet und war dort offenbar bislang unbemerkt geblieben. Durch die Bewegungen des Paketboten fühlten sich die Wespen wohl bedroht — und griffen ihr Opfer an. "Es waren rund 1500 Wespen in dem Erdloch. Sie haben dort wahrscheinlich seit Anfang des Jahres genistet", berichtet der Krefelder Schädlingsbekämpfer Harald Wunden, nachdem er das Wespennest beseitigt hat. "Wespen stechen nicht einfach so. Sie müssen durch etwas aufgeschreckt worden sein." Etwa durch mehrmalige Erschütterungen reagieren Wespen, die in Erdlöchern hausen, laut Naturschutzbund NRW aggressiv.

Viel mehr Tiere als üblich

In diesem Jahr seien die Wespen besonders zahlreich und langlebig. Bedingt durch den guten Sommer und das warme Herbstwetter verlängert sich ihre Lebensdauer. "Der Hauptgrund ist, dass es seit dem Winter keine Kälteperiode mehr gegeben hat. Deshalb gibt es viel mehr Tiere als üblich", sagt Harry Abraham vom Naturschutzbund (Nabu) in Willich. Sonst gibt es im Oktober häufig nur noch einzelne Tiere. "Bei der milden Witterung können sie in diesem Jahr durchaus bis Ende Oktober oder Anfang November überleben", sagt Nabu-Sprecherin Birgit Königs. Erst wenn sie keine Nahrung mehr finden, sterben sie.

Kerstin Braß von der Schädlingsbekämpfungs-Firma Calmund und Riemer bestätigt: "2013 ist ein besonders schlimmes Jahr." So viele Wespen und so viele Aufträge zur Bekämpfung von Wespennestern hätten sie noch nicht gehabt. In den vergangenen drei Monaten seien durchschnittlich bis zu 100 Aufträge zur Bekämpfung telefonisch eingegangen — und das täglich. Außergewöhnlich ist laut der Krefelderin nicht nur die Tatsache, dass in diesem Jahr sehr viele Nester gefunden werden: "Die Anrufer berichten uns, dass sie teilweise mehrere Nester am Haus entdeckt hätten."

Vollkommen überrascht

Nasser El Manichi wusste nichts von den Wespen im Erdloch. "Ich habe das Nest nicht bemerkt. Der Angriff hat mich vollkommen überrascht." Vielleicht seien die Tiere ja von den grellen Farben des Paketes provoziert worden, scherzt er. Er weiß aber auch, dass es durchaus schlimmer hätte ausgehen können. Glücklicherweise habe er es geschafft, die meiste Zeit seinen Mund geschlossen zu halten, erzählt der Krefelder. "Die Stiche aber schmerzen immer noch sehr", sagt er. Den Umständen entsprechend gehe es ihm gut. Der Schock aber sitzt tief.

(RP)
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