Krefeld Job beim "Klassenfeind"

Krefeld · Der neue Juso-Chef Benedikt Winzen arbeitet bei einer Bank, steht zu den Reformen von Gerhard Schröder und hat Freunde bei der Jungen Union. Er sagt: In einer Gemeinschaftsschule dürfen die Besten nicht schlechter werden.

Sie arbeiten bei einer Bank, also quasi beim Klassenfeind; wie wird man da Juso-Vorsitzender?

Winzen (lacht) Das stimmt, ich kenne das Kapital aus der Theorie und aus der Praxis.

Dennoch fällt einem bei Ihrem Studium unwillkürlich das Bonmot ein: Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 immer noch ist, hat keinen Verstand. Glauben Sie, dass Sie diesen Weg nehmen?

Winzen Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich komm' aus einem sozialdemokratischen Haushalt, mein Vater ist seit gefühlten 40 Jahren SPD-Mitglied. Und linke Politik kann sehr wohl mit guter Finanz- und Wirtschaftspolitik einhergehen – das ist für mich kein Gegensatz. Und bei der Bank wird es bei Kollegen und Vorgesetzten durchweg positiv aufgenommen, dass es junge Leute gibt, die sich politisch engagieren.

Es ist im Moment nicht vergnügungssteuerpflichtig, SPD-Mitglied zu sein; die Partei sucht in Bund und Land noch den Weg aus dem Tal.

Winzen Ja, ich glaube aber, dass das nicht an den Inhalten lag und liegt, sondern an dem Mut, sie offen zu kommunizieren. Es sind von der SPD Entscheidungen getroffen worden, von denen das Land heute noch profitiert.

Sie meinen die Arbeitsmarktreformen unter Kanzler Gerhard Schröder.

Winzen Genau. Sicher musste man nachbessern, aber den Mut zu Reformen hatte eben ein SPD-Kanzler.

Der Eindruck der letzten Jahre ist allerdings, dass sich die SPD Zug um Zug von diesen Reformen verabschiedet.

Winzen Vielleicht liegt darin der Grund für die Schwäche der SPD in Umfragen und Wahlen. Für mich ist Konstanz wichtig und dass man zu Entscheidungen steht, auch wenn man im Detail nachbessern muss. Im Kern waren die Reformen richtig; dass sie notwendig waren, hätte besser kommuniziert werden müssen. Dann würde die SPD heute besser dastehen.

Die Krefelder SPD steht allerdings besser da als die SPD in Bund und Land, weil die Partei es verstanden hat, den Linken das Wasser abzugraben – mit starken sozialstaatlichen Ansätzen.

Winzen Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass die Partei glaubwürdig ist; und das hängt mit den Köpfen hier zusammen.

Wo stehen die Krefelder Jusos?

Winzen Die Jusos haben sich personell neu aufgestellt; jetzt sind wir dabei, Schwerpunkte wie Energie- oder Schulpolitik zu bearbeiten.

Heißt, Sie werden sich für die Gemeinschaftsschule starkmachen?

Winzen Ich bin vom Konzept der Gemeinschaftsschule überzeugt.

Welche Schule besuchten Sie?

Winzen Ich war zuerst auf dem Städtischen Meerbusch-Gymnasium und bin danach auf das Berufskolleg Vera Beckers in Krefeld gewechselt. Vor allem auf dem Berufskolleg habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht und kann daher nicht nachvollziehen, dass allein das Gymnasium so herausgehoben wird.

Vielleicht wegen der guten Lernergebnisse. Die Gemeinschaftsschule ist bislang nur ein vages Versprechen, dass alles gut wird.

Winzen Ich bin davon überzeugt, dass längeres gemeinsames Lernen gut ist, natürlich mit den entsprechenden Rahmenbedingungen: unter anderem mehr Lehrer, kleinere Klassen. Das gemeinsame Lernen und die individuelle Förderung des Einzelnen mit seinen individuellen Fähigkeiten werden zu einer Verbesserung des Gesamtniveaus führen. Hiervon profitieren alle Schüler – auch die besseren Schüler, die helfen, Wissen zu vermitteln. Hier wird und darf aber auch eines nicht passieren: dass die Leistungen der besten Schüler schlechter werden.

Ist es schwieriger geworden, sich in einer Partei zu engagieren? Wer heute Gutes tun will, geht doch eher zu Amnesty International – oder?

Winzen Es gibt eine Art Parteiverdrossenheit, doch diese Art Politikerschelte ist nicht unbedingt gerecht. Bei mir wie auch bei Freunden in der Jungen Union steht letztlich im Vordergrund, dass man sich politisch engagiert.

Sie haben Freunde in der Jungen Union?

Winzen Natürlich habe ich Freunde in der Jungen Union. Mir ist es eindeutig lieber, dass sich jemand politisch engagiert, als dass er zu Hause sitzt – egal in welcher demokratischen Partei.

Auch die FDP-Politikerin Joanna Horch erzählt, dass das Verhältnis der Jugendorganisationen untereinander sehr gut ist.

Winzen Alles andere wäre auch der völlig falsche Weg. Es gibt auch Bestrebungen in allen politischen Jugendorganisationen, den Ring Politischer Jugend wiederzubeleben, um sich gemeinsam das nötige Gehör zu verschaffen. Am Ende geht es schließlich um das Wohl der Stadt.

Jens Voss führte das Gespräch

(RP)
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