Krefeld Mehr Mies! Krefeld-Fieber in Chicago

Krefeld · Christiane Lange, Urenkelin von Hermann Lange, war auf Vortragsreise in Chicago und informierte die Öffentlichkeit dort über das Krefelder Mies-Projekt. Das Interesse der Amerikaner ist groß, ein Mies-Enkel wird nach Krefeld kommen.

Die Shed-Hallen von Mies
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Das Treffen von Christiane Lange und Dirk Lohan in Chicago hatte etwas von einem Familienfest, begegneten sich doch die Urenkelin von Hermann Lange und der Enkel von Ludwig Mies van der Rohe. Letztere haben in Krefeld Architekturgeschichte geschrieben: Hermann Lange gab 1926 dem jungen Avantgarde-Architekten Ludwig Mies van der Rohe den Auftrag zum Bau einer Villa, die als Haus Lange weltberühmt werden sollte. Christiane Lange war jetzt fünf Tage lang in Chicago und informierte die Öffentlichkeit dort über das Krefelder MIK-Projekt, bei dem auf dem Egelsberg ein Golfclubhaus nach Plänen von Mies als 1:1-Modell in Holz nachgebaut wird. "Es gibt in Chicago eine richtige Mies-Gemeinde", sagte sie gestern, als sie im RP-Gespräch von ihrer Reise berichtete.
Kein Wunder. Chicago wurde die zweite Heimat Mies van der Rohes, nachdem er 1938 Nazi-Deutschland den Rücken zugekehrt hatte. "In Chicago", sagt Frau Lange, "ist er Profi geworden" — sprich: Erst dort wurde Mies zum Erbauer moderner Hochhäuser und Großbauten, die er in Deutschland nicht hatte bauen können, schon gar nicht unter den Nazis, die bekanntlich den Größenwahn-Kitsch von Hitlers Leibarchitekten Albert Speer favorisierten.

Frau Lange war von der "Mies van der Rohe Society", dem Goethe-Institut Chicago und der "Chicago Architecture Foundation" eingeladen worden, um den Kunst- und Architekturinteressierten das Krefelder MIK-Projekt vorzustellen — wobei MIK für "Mies in Krefeld" steht. Hintergrund: 1930 entwarf Mies van der Rohe ein Golfclubhaus für Krefeld. Es wurde nie gebaut. MIK stellt nun den Entwurf als Modell im Maßstab 1:1 am originalen Standort auf. Frau Lange erläuterte und diskutierte das Projekt in Chicago bei einer Podiumsdiskussion mit Professoren und Studenten und stellte es bei einem Vortrag in der Crown Hall vor 250 Mies-Begeisterten vor. Die Crown Hall ist ein magischer Mies-Ort: Sie ist das Hauptgebäude des College of Architecture, Planning and Design des Illinois Institute of Technology (IIT) in Chicago. Mies hatte den Campus ab 1942 bis in die 50er Jahre hinein entworfen. So macht das Universitätsgelände Mies-Geschichte erlebbar: "Es war interessant zu sehen, dass dort noch die europäische Zeit von Mies deutlich zu erkennen ist", sagt Frau Lange. Es sind flache, maximal zweigeschossige Gebäude, nicht unähnlich dem Krefelder Verseidag-Haus. Der "Mies der großen Volumina" (Lange) entfaltete sich erst danach.

Christiane Langes Vortrag in der Crown Hall war eigentlich ein Doppelreferat. Im ersten Teil ging es um "Mies in Krefeld", um die Spuren, die der Architekt in der Stadt hinterlassen hat. "Haus Lange und Haus Esters sind in den USA bekannt", sagt Frau Lange. Beide Häuser sind vor allem als Museum für moderne Kunst mit Weltgeltung im Bewusstsein der gebildeten Öffentlichkeit verankert — über Ausstellungen zu Künstlern wie Yves Klein, Gerhard Richter, Andreas Gursky, Thomas Schütte oder Christo.

Der zweite Teil des Vortrags firmierte unter der Überschrift "Mies 1:1. Das Krefelder Golfclub-Projekt", in dem Frau Lange die Idee für den Bau des Modells erläuterte. "Ich war immer wieder angetan davon, wie offen und neugierig dieses Projekt in Chicago aufgenommen wurde", sagt sie. Gefreut hat sie sich, dass das Konzept auf Zustimmung stieß und als feinsinnige und behutsame Annäherung an das Erbe von Mies gewürdigt wurde: "Wir wollen in Krefeld ja keinen Mies mit 80 Jahren Verspätung bauen; das Modell versteht sich als künstlerische Äußerung zur Architektur Mies van der Rohes heute."

Trotz der verwandtschaftlichen Fäden, mit denen Christiane Lange über ihren Urgroßvater mit Mies verbunden ist, und obwohl sie Kunsthistorikerin ist, hat sie Mies als Thema für sich erst spät entdeckt. "Es waren Quellenfunde Ende 2005; damals tauchte Material aus dem Nachlass von Mies auf, und das hat mich interessiert. Wenn ich in ein Archiv gegangen bin und nach Mies geforscht habe, fand ich Briefe meines Urgroßvaters. Das war schon anrührend." Persönlich hat sie Mies nie getroffen, obwohl beide einige Jahre quasi Zeitgenossen waren: Sie ist Jahrgang 1961, Mies starb 1969.

Als sie die Idee zu dem Golfclub-Projekt entwickelte, war ihr gleich klar, dass sie einen künstlerisch inspirierten Architekten benötigte, eben weil das Modell kein simpler "verspäteter Mies" sein sollte. "Es geht darum, Mies Auffassung von Raum zu reflektieren. Mies hat beim Raum Beschränkungen aufgelöst und ihn zu einem fließenden Gebilde, zu einer spannungsvollen offenen Struktur gemacht." Sie fand in dem belgische Architekturbüro Robbrecht en Daem Leute, die dies verstanden haben. Der Platz auf dem Egelsberg ist auch in anderer Hinsicht ideal. Denn es gehe, sagte Frau Lange, bei Mies immer auch um "conversation with landscape", um den Dialog mit der Landschaft. Dies ist am Egelsberg in geradezu puristischer Klarheit möglich.

Die Achse Chicago — Krefeld bleibt in Bewegung: Mies-Enkel Dirk Lohan, selbst Architekt, wird bei einem Symposium in Krefeld am 2. Juni den Vortrag "Touching Mies" (Mies begegnen) halten. Frau Lange wird zum Ende von MIK wieder nach Chicago reisen und auf Einladung des Goethe-Instituts und der Mies-Society über die Erfahrungen mit "Mehr Mies!" in Krefeld berichten.

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