Krefeld Neue Karte über "Nazi-Straßen"

Krefeld · Viele Krefelder Straßen beziehen sich immer noch indirekt auf die NS-Zeit. In einer neuen Karte nennen Vermessungsingenieur Georg Opdenberg und der Kartograph Volker Steinbeck Beispiele.

 Tiroler Weg in der Siedlung Klein-Österreich. Die Straßen wurden nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 nach Städten der neuen "Ostmark" benannt.

Tiroler Weg in der Siedlung Klein-Österreich. Die Straßen wurden nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 nach Städten der neuen "Ostmark" benannt.

Foto: T. L.

Im vierten Band der Krefelder Kartenserie "Schild-Bürger" decken der Vermessungsingenieur Georg Opdenberg und der Kartograph Volker Steinbeck neben vielen anderen Bezügen heute noch in Straßen- und Flurnamen versteckte Anspielungen aus der Nazizeit auf.

Heutzutage wird ein Straßenname als Verwaltungsakt vergeben. Autoritäre Regierungen benutzen Straßennamen gern als Demonstration ihrer Weltanschauung. Jahrzehnte später ist diese Provokation nur noch schwer zu erkennen. Die beiden Krefelder Opdenberg und Steinbeck haben die oft versteckten Hinweise dennoch aufgedeckt und nennen sie in ihrer neuen Karte.

Eine kleine Grünfläche im Norden der Siedlung Lindental, die die Nazis einst für den Musterbetrieb Deutsche Edelstahlwerke (DEW) gebaut hatten, heißt "Heimatplan". Die Straßennamen "Am Feierabend" und "Arbeitsfrieden" stammen noch aus der Entstehung der Siedlung.

1945 wurde das nahe gelegene "Goldrad" in Gießerpfad und der "Werkschardank" in Formerweg umbenannt. Was man heute kaum noch weiß: Das Goldrad, ein Zahnrad mit innen liegendem Hakenkreuz, war das Symbol der Deutschen Arbeitsfront (DAF), die bei Hitlers Machtergreifung die zwangsaufgelösten Gewerkschaften ersetzte.

Die DAF sollte den Arbeitsfrieden im Sinne des Gemeinschaftsgedankens der Nazis sichern. Eine Sonderorganisation der DAF war die Organisation "Kraft durch Freude (KdF)", zu deren weltanschaulichen Unterorganisationen die Werkscharen in den Betrieben gehörten. Das Amt Feierabend hatte für die KdF Ausstellungen und Theaterbesuche zu organisieren, die die arbeitenden Volksgenossen zu nationaler Kultur führen sollten.

Diese Straßennamen könnten den Feierabend von Stahlwerkern der nahen Edelstahlwerke beschreiben. Viel eher erinnern sie an den erzwungenen Arbeitsfrieden und die organisierte Freizeitgestaltung eines totalitären Unrechtsstaates.

Als nach zwölf Jahren die NS-Herrschaft zu Ende gegangen war, verschwanden auf Druck des alliierten Kontrollrates die Straßennamen, die sich unmittelbar auf NS-Größen und -Organisationen bezogen. Auswärtige Fliegerasse des Ersten Weltkriegs wie der "Rote Baron" von Richthofen fielen in Ungnade, die Krefelder Fliegerasse Voss und Schäfer durften bleiben.

Von der in Stahldorf "Klein Österreich" genannten DEW-Siedlung nimmt der Volksmund an, dass sie für Gastarbeiter aus Österreich und Böhmen gebaut worden sei. Dort wurden aber überwiegend Parteimitglieder des Stahlwerkes untergebracht. Die Straßen wurden nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 nach Städten der neuen "Ostmark" benannt.

Opdenberg provoziert mit dem Befund, dass aus den Städtenamen nach Kriegsende die Namen der Flüsse wurden, darunter München mit der Isar als Stadt des Hitlerputsches 1923, Landsberg am Lech, wo Hitler ein paar Monate Festungshaft verbüßte, Wien als Stadt, in der der Anschluss Österreichs geputscht wurde und Braunau am Inn als der Geburtsstadt des Diktators. Ein Schelm, wer sich dabei was denkt.

Eine Änderung dieser Straßennamen versteht Opdenberg als nachträgliche "Geschichtsklitterung". Er fordert, dass die Stadt solche Straßennamen stärker als zeitgeschichtliches Denkmal wahrnimmt.

(RP/ac/top)
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