Krefeld Pfaus "Raumschiff" wird neu gewürdigt

Krefeld · Architekt Bernhard Pfau baute von 1952 bis 1958 die frühere Texilingenieurschule am Frankenring. An ihn erinnert eine Ausstellung.

 Er erinnert an ein Raumschiff: Der so genannte Betonannex (Betonanhang) ist das Gegenüber der lichten Festhalle, die heute als Mensa genutzt wird.

Er erinnert an ein Raumschiff: Der so genannte Betonannex (Betonanhang) ist das Gegenüber der lichten Festhalle, die heute als Mensa genutzt wird.

Foto: Lammertz

In Krefeld wird derzeit viel über Baukultur gesprochen und über Architekten, die sich mit ihren Gebäuden Denkmale geschaffen haben. Internationale Beachtung findet zurzeit das Projekt Mies 1:1 des früheren Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe auf dem Egelsberg in Traar. Dort steht noch bis Oktober in Originalgröße ein Modell für ein Golfclubhaus nach 80 Jahre alten Plänen. Auch Stefan Behnisch, August Biebricher und Egon Eiermann haben sich in der Stadt verewigt. Jetzt rücken Kunsthistorikerin Christiane Lange und Design-Professor Nicolas Beucker mit Studenten den Fokus auf Bernhard Pfau. Heute um 16 Uhr startet im Foyer der ehemaligen Textilingenieurschule am Frankenring eine achtwöchige Ausstellung unter dem Titel "Vision und Perspektive. Krefelder Baukultur von Bernhard Pfau".

 Kunsthistorikerin Christiane Lange, Design-Professor Nicolas Beucker und Student Philipp Schütz in historischem Umfeld.

Kunsthistorikerin Christiane Lange, Design-Professor Nicolas Beucker und Student Philipp Schütz in historischem Umfeld.

Foto: Thomas Lammertz

Pfau war eine interessante Persönlichkeit. Er war der Tradition des Bauhaus verpflichtet, andere nannten es Moderne oder Neue Sachlichkeit. Christiane Lange kann sich mit solchen Etiketten nicht anfreunden. Sie sind ihr zu allgemein und nichtssagend. Vor einem Jahr sei sie angesprochen worden, die Ausstellungsvorbereitungen wissenschaftlich zu begleiten. Der Nachlass Pfaus ist in Berlin in der Akademie der Künste gelagert. Das Werkverzeichnis ist umfangreich. In Krefeld sind ab morgen viele Reprographien von den sehr detailgetreuen Plänen zu sehen. Manche sind im Maßstab 1:1 gefertigt. Das heißt, die Skizzen mit den Türen und Türgriffen sind gut zweimal zwei Meter groß, erklärte Designstudent Philipp Schütz.

Seit 1946 war ein Neubau als Ersatz für die im Krieg zerstörte Webschule an der Lewerentzstraße in Krefeld angedacht. Und wieder waren es die namhaften Vertreter der Seidenindustrie, die der Avantgarde der Architekturszene eine Spielfläche in ihrer Stadt bieten wollten. 1952 begannen die Arbeiten unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit. 1958 endeten sie unvollendet, eine Zeit der Krise verhinderte die endgültige Fertigstellung bis hin zu einer zehngeschossigen Hochhausscheibe als Kontrapunkt zum horizontalen Gebäudekomplex mit großen Glasfronten und zum Teil auf Stelzen. Die Öffentlichkeit sollte den Campus für sich erobern dürfen und an Festen im Hof teilnehmen können.

Die großen Glasflächen zur Straße hin – gleichsam als Schaufenster der Textilingenieurschule und der Seidenindustrie – gerieten in die Kritik. Die Rheinische Post stellte dem Architekten am 22. Januar 1955 ausreichend Platz zur Verfügung, um den Bau zu erklären. Der 1989 in Düsseldorf gestorbene Fachmann blieb offensiv: "Glasfront schön oder hässlich? Erstens ist sie wahr! Konstruktionsgerecht! Tragdecken haben es nicht notwendig, getragen zu werden. Wer die Schönheit des großartigen, heiteren Spiels der großen Glaswand nicht empfindet, ist selbst daran schuld." Später bejubelte die Öffentlichkeit das Gebäude als "modernste Fachschule Europas". Krefeld sei "irre stolz auf den Bau" gewesen, berichtete Christiane Lange.

Pfau hat auch in Düsseldorf architektonische Meilensteine hinterlassen. Das Düsseldorfer Schauspielhaus zählt an vorderster Stelle dazu, aber auch Jugendhaus und Haus der Glasindustrie zählen dazu. In Viersen baute er zwei Villen für Walter Kaiser (Kaiser's Kaffee), in Krefeld das Haus Vogelsang.

Während des Kriegs wurde er für die Flugzeugwerke Fieseler, die mit dem Typ Fieseler Storch international bekannt wurden, in Kassel aktiv. Ein spektakulärer Einsatz eines Fieseler Storches war das Unternehmen Eiche, die Befreiung des gestürzten italienischen Diktators Benito Mussolini vom Gran Sasso d'Italia am 12. September 1943. Pfau baute für Fieseler nicht nur das Werk, sondern auch eine Arbeitersiedlung und das Wohnhaus des Firmenchefs. Gleichwohl hatte der im Badischen geborene Architekt keine Sympathien für den Nationalsozialismus. Im Gegenteil, in Düsseldorf wehrte er sich nach dem Krieg gegen Nazi-Seilschaften im Bauamt und gründete mit anderen den Architektenring.

"Ziel der Ausstellung in Krefeld ist es, die Besonderheit und Schönheit des Gebäudes, aber auch seine Brüche und Sanierungsbedürftigkeit sichtbar zu machen", erklärte Christiane Lange. Wer von der Lewerentzstraße kommend auf das Gebäude zugeht, kann an der Ecke mit Hilfe von Fernrohren auf das Gebäude schauen – und darin sehen, wie die Textilingenieurschule Ende der 50er Jahre aussah. Auch innen finden sich immer wieder Reminiszenzen an die Nachkriegszeit: Es gibt Sitzecken mit zeitgenössischen Holzklappstühlen und der Geigenblattfeige als typischer Büropflanze, im Foyer werden Filme mit Interviews von Bernhard Pfau gezeigt, die in den Wänden eingelassenen Vitrinen werden beleuchtet und mit aktuellen künstlerischen Projekten gefüllt.

"Dabei geht es uns um die Gegenüberstellung von heute und damals", erklärte Beucker. Die Ausstellung möchte die Menschen dazu bewegen, in das Gebäude zu gehen, es sich durch den aufmerksamen Rundgang zu erschließen. "Die Hochschule ist keine abgeschottete Institution, sie ist offen für außen. Die Menschen sollen sich in das Gebäude trauen", so Beucker weiter.

Im Jahr 1992 wurde das Gebäude in die Denkmalliste der Stadt Krefeld eingetragen. Grund war die ideelle Bedeutung des Gebäudes und seiner Entwurfsidee für die Geschichte der Krefelder Textilindustrie. 2006 siedelte der komplette Fachbereich Design in das Gebäude über. Im vergangenen Jahr erfolgte dann der vorerst letzte Teil dieser Architekturgeschichte: Der benachbarte Bau von Bernhard Pfau, das Deutsche Textilforschungszentrum Nord-West (DTNW), wird Teil der Hochschule Niederrhein. Die von Pfau verfolgte Campus-Idee wird dadurch wieder ein Stück greifbarer.

Ausstellungseröffnung ist heute, 14. Juni, 16 Uhr; Öffnungszeiten der Ausstellung: Montag, 17. Juni bis Freitag, 9. August; montags bis freitags, 8 bis 19 Uhr zu den Hochschulöffnungszeiten.

(RP)
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