Krefeld Staunen über Krefelds Industrie

Krefeld · Die "Lange Nacht der Industrie" stieß in Krefeld auf großes Interesse, alle Touren waren ausgebucht. Als eines von sechs Unternehmen gewährte Siempelkamp der Öffentlichkeit einen Blick in sein Inneres – und lieferte eindrucksvolle Bilder.

 Bei 1400 Grad Celsius wird das Eisen in seine Form gegossen. Mehr Bilder zur "Langen Nacht" auf www.rp-online.de/krefeld. Fotos (2) Lothar Strücken

Bei 1400 Grad Celsius wird das Eisen in seine Form gegossen. Mehr Bilder zur "Langen Nacht" auf www.rp-online.de/krefeld. Fotos (2) Lothar Strücken

Foto: Strücken,Lothar

Die "Lange Nacht der Industrie" stieß in Krefeld auf großes Interesse, alle Touren waren ausgebucht. Als eines von sechs Unternehmen gewährte Siempelkamp der Öffentlichkeit einen Blick in sein Inneres — und lieferte eindrucksvolle Bilder.

 Besucher bei Siempelkamp.

Besucher bei Siempelkamp.

Foto: Strücken,Lothar

Zur Begrüßung erhält jeder Besucher der Gießerei seine Ausrüstung: Schutzhelm, Warnweste und Funkgerät. Sicherheit steht an erster Stelle, wo mit schwerem Gerät und heißem Eisen hantiert wird. Hier ist jeder Arbeiter auf den anderen angewiesen, die Männer schuften Hand in Hand, um der Maschinen und deren Kräfte Herr zu werden.

Der Chef, Michael Szukala, ist an diesem Abend dabei und begleitet die Tour. Auf seine Frage an einen Mitarbeiter, wie es diesem so gehe, erntet er ein knappes "Muss" als Antwort. Hier wird mit glühendem Eisen und schweren Maschinen gearbeitet, nicht mit Worten. Es sind Einblicke in eine Welt, die dem Ottonormalverbraucher sonst verborgen bleibt, da Siempelkamp ausschließlich für die Industrie produziert, das aber äußerst erfolgreich. "Hidden Champion" heißt das im Fachjargon. Umso größer war das Interesse der Krefelder Bürger, die dank der "Langen Nacht der Industrie" einen Blick in die heiligen Produktionshallen werfen durften.

Klein wie ein Ameisenhaufen wirkt der 20-köpfige Besuchertrupp im Antlitz der turmhohen Fabrikdächer. Kräne hängen von der Decke herab, bereit, jederzeit kochendes und schweres Eisen durch die Lüfte zu tragen. Die gigantisch und unwirklich anmutende Szenerie durchbrechen einzelne Gießereimechaniker, die mit ihren feuerfesten, silbernen Anzügen und dem Gesichtsschutz aussehen wie Aliens. Das Eisen muss bei einer Temperatur von 1400 Grad in seine Form gegossen werden. Weil es beim Transport in der Halle zunächst mit Sauerstoff in Verbindung gerät, bilden sich dicke Klumpen an der Oberfläche. Um dieses Abfallprodukt zu entfernen, reckt ein Arbeiter einen fünf Meter langen Eisenbesen in den Gluttopf und schöpft die Brocken aus der flüssigen Masse ab. Dabei springen Funken aus der Pfanne und es entsteht der Eindruck, als werde in der Halle im Umkreis von vier Metern ein Silvesterfeuerwerk veranstaltet.

Das Eisen, das aussieht wie flüssige Lava und nicht viel weniger heiß ist, wird anschließend in eine Gussform geleitet, die mit ihrer Sand-Harz-Mischung grau und hart wie Beton ist. In die Form gegossen, muss das Eisen je nach Art und Größe bis zu zwei Wochen abkühlen. In den ersten Stunden suchen dabei immer wieder kleinen Stichflammen, vergleichbar mit denen eines Bunsenbrenners, ihren Weg aus dem Gefäß nach draußen. Was grob und ungenau klingt, ist in Wirklichkeit Maßarbeit: Die Gussteile müssen bis zu drei Millimeter genau gefertigt werden. Im letzten Schritt wird das gegossene Eisen "geputzt", und das ist durchaus wörtlich gemeint. Die Eisenkolosse werden mit kleinen Stahlkugeln beschossen, damit sich das Sandgemisch davon löst, den letzten Dreck flexen die Arbeiter mit einer Schleifmaschine weg. Mit einem Rostschutz überzogen, können die fertigen Produkte nun etwa in Schiffe oder Windkrafträder eingebaut werden.

Bevor bei Siempelkamp die Gießerei entstand, gab es zunächst nur den Maschinenanlagenbau. Die Firma, die 1883 von Gerhard Siempelkamp gegründet wurde und noch heute in Familienbesitz ist, legte damals mit Heizplatten-Pressen für die Textilindustrie den Grundstein für ihren heutigen Erfolg. Mittlerweile sind es vor allem Holzwerkstoffanlagen, die das Unternehmen im großen Stil herstellt. Die Wände von schätzungsweise jedem zweiten Regal des schwedischen Möbelhauses Ikea werden mit Maschinen hergestellt, die in Krefeld entstanden. Um im Maschinenanlagenbau überhaupt hantieren zu können, ist zunächst viel Kapital vonnöten: Werkzeuge im Wert von acht Millionen Euro lagern in der Halle, damit klobige Bleche gefräst und etwa zu Lastträgern für Lkw geformt und weiterverarbeitet werden können. Mit vergleichsweise geringem Aufwand stellt Siempelkamp Heizplatten wie die für unseren Küchenherd her. Sie entstehen an nur einer Maschine, die multifunktional fräst, glättet und veredelt. Man staunt nicht schlecht über den Glanz, den die frisch polierten Platten versprühen zwischen all der Technik, Kraft und Männern, die mit schweren Eisen arbeiten und nicht mit Worten.

(RP)
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