Wassenberg Die Hofkirche lässt Ruhe finden

Wassenberg · Der lange Gang in das Wassenberger Gotteshaus trägt den Besucher Schritt für Schritt weg vom Lärm und öffnet sich in einen hellen Kirchenraum. Ein Gästebuch schildert die Gefühle der Besucher.

Ein unscheinbarer Hauseingang neben der Tür zu einem Ladenlokal führt in ein ungewöhnliches Gotteshaus, die Wassenberger Hofkirche von 1670. Der lange Gang, fast wie ein Tunnel, trägt den Besucher schrittweise hinweg vom Verkehrslärm der Roermonderstraße und öffnet sich am Ende in einen hellen Gebetsraum, dessen Schlichtheit und Schmucklosigkeit die Konzentration zu beflügeln scheint. Ein Raum der Stille inmitten der vorweihnachtlichen Hektik, der seit kurzem an jedem Sonntagnachmittag zu Rast, Besinnung, Gebet und Raumerleben einlädt.

Kein Grünschmuck, keine Kerzen, matt-helle Fensterscheiben, vorn an der Wand ein großes glattes Holzkreuz ohne Korpus, ein einfacher Abendmahlstisch, nur Kanzel und Teschenmacher-Orgel zeigen dezent barocke Ornamentik. In einer Ecke unter Glas das Kleinod der Gemeinde, die 2002 restaurierte historische Tossanus-Bibel von 1668 – das Wort Gottes im Mittelpunkt eines Raumes, der zwar den Geist der Reformation atmet und doch auch Menschen von heute anzuziehen vermag, wie es Pfarrer Dr. Titus Reinmuth immer wieder erlebt.

Die stillen Beter kommen ebenso wie Menschen, die dem Trubel nur für kurze Zeit entfliehen wollen zum Nachdenken über Gott und die Welt und auch die historisch Interessierten, die gern mehr über die bewusst versteckt gebaute Hofkirche erfahren möchten. Für solche Besucher sind auch immer Gemeindemitglieder da, die gern informieren, wenn man sie anspricht, sich aber nicht Besuchern aufdrängen, die Ruhe suchen. Statt Kerzen anzuzünden (wie in katholischen Gotteshäusern üblich), können Besucher besondere Steine unter der Tossanus-Bibel ablegen – als Symbol für ihre Anliegen. Zum Mitnehmen gibt es auch etwas: Bibelzitate auf Papier am Eingangtisch.

Ein Gästebuch nimmt Empfindungen und Erinnerungen der Besucher auf. Die Einträge vermitteln, wie viele sich mit dem Ort verbunden fühlen. „Ich bin hier getauft und getraut worden und möchte meine Trauerfeier hier haben“, ist dort zu lesen. Oder: „Nach 50 Jahren durfte ich die Kirche noch einmal wiedersehen.“ Vier offenbar junge Frauen erinnern sich an ihre Grundschul-Gottesdienste in der Hofkirche und „genießen es, heute erneut hier zu sitzen“. Der Eintrag „Die Kirche ist eine schöneres Erlebnis als jeder Weihnachtsmarkt“ zeigt, wie das karge Gotteshaus, das keine Spur von Adventschmuck zeigt, Menschen durch den Kontrast fasziniert. Pfarrer Reinmuth vermutet, dass das Bedürfnis nach Orten wächst, an denen Menschen zur Ruhe kommen, auf sich selbst zurückgeworfen inmitten der mobilen Gesellschaft.

(RP)
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