Hückelhoven/Wassenberg Nach Lungen-Transplantation auf der Abi-Zielgeraden

Hückelhoven/Wassenberg · Das Gymnasium Hückelhoven hat Jan-Peter Heutz noch nie von innen gesehen – er darf das Haus nicht verlassen. Doch ist er einer der eifrigsten Schüler – im Fernunterricht. Nach einer Lungentransplantation büffelt er in den Ferien weiter.

Das Gymnasium Hückelhoven hat Jan-Peter Heutz noch nie von innen gesehen — er darf das Haus nicht verlassen. Doch ist er einer der eifrigsten Schüler — im Fernunterricht. Nach einer Lungentransplantation büffelt er in den Ferien weiter.

Inklusion der besonderen Art praktizieren sechs Fachlehrer des Gymnasiums Hückelhoven: Parallel zu ihren Kursen unterrichten sie per Hausunterricht den 21-jährigen Jan-Peter Heutz aus Wassenberg. Den jungen Mann fesselt die tückische Lungenkrankheit Mukoviszidose, an der er seit seiner Geburt leidet, an sein Zimmer im Elternhaus. Sein schwaches Immunsystem hätte den Aufenthalt in einem bakteriell belasteten Umfeld nicht überstanden. Die schönste Nachricht des Schuljahres: Dank einer Spenderlunge kann Jan-Peter das Abitur 2014 ansteuern und ein Studium ins Auge fassen.

Sein junges Leben hat nun eine ganz neue Perspektive, und das berührt auch seine Lehrer. Die sind zudem von seinem Fleiß schwer beeindruckt: "Jan-Peter hat es trotz seiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung geschafft, fast alle Klausuren des Schuljahres zu schreiben und steht nun kurz vor der Erlangung der Fachhochschulreife", so Guido Rütten. "Für uns Lehrer ist dieser Schüler einzigartig, da er einen unbändigen Willen zum Lernen hat."

Jan-Peter Heutz kann seit drei Jahren keine Schule mehr besuchen. Trotzdem wurde er 2012 Schüler des Gymnasiums Hückelhoven. Dort fanden sich sechs Lehrer bereit, ihn zu Hause zu unterrichten. Ein eigener Stundenplan wurde entwickelt, und die Fachlehrer fuhren vor, während oder nach ihrem Unterricht zu dem hochmotivierten Schüler nach Wassenberg. Den Individualunterricht ergänzte digitale Übertragungs- und Aufzeichnungstechnik — per Großleinwand konnten die Mitschüler Jan-Peter kennenlernen. Auf einer Lernplattform kann er zudem mit Lehrern und Schülern kommunizieren. So gelang das Unglaubliche: Der schwer kranke, aber lernwillige Schüler arbeitete parallel zu seinen Mitschülern, schrieb alle Klausuren und hatte die Fachhochschulreife fast schon in der Tasche. In den letzten Wochen aber wurde das Arbeiten immer anstrengender. Die Krankheit schlug gnadenlos zu. Angesichts der nicht zu übersehenden Anstrengung bekamen auch die Lehrer allmählich ein mulmiges Gefühl. Doch der Ausnahme-Schüler gönnte sich keine Auszeit.

Am Tag der geplanten Informatik-Klausur dann der Anruf: Jan-Peter fährt mit dem Rettungswagen in die Klinik nach Hannover. Dort lag eine Spenderlunge zur Transplantation bereit, er stand auf Platz 1 der Warteliste. Noch in der Nacht wurde er operiert. In den folgenden Tagen waren Familie und Lehrer besorgt, wie der Körper das neue Organ annehmen würde. Doch die Ärzte hatten hervorragende Arbeit geleistet, das Organ funktioniert, und Jan-Peter ist wie neugeboren. Zurzeit befindet er sich in der Reha in Fallingbostel und bastelt an seinem großen Ziel: Abitur 2014 — gemeinsam mit seinem Kurs. Deshalb setzen die Lehrer auch in den Ferien die Arbeit fort, damit der Schüler, der nie in der Schule war, weiter so gute Leistungen bringen kann.

Der 21-Jährige begreift die neue Lunge als seine neue Chance: "Man sagt ja, jeder Mensch habe im Leben eine zweite Chance verdient, und ich sehe dieses neue Organ als meine zweite Chance an." Guido Rütten unterstreicht, dass "dieses konkrete Schicksal gewiss auch auf die Bedeutung der Organspende-Bereitschaft aufmerksam macht". Jan-Peter ist dankbar für die große Unterstützung: "Alle Lehrer waren bis jetzt sehr engagiert, mitfühlend und zuvorkommend." Er hofft, trotz der Fehlzeiten den Lernstoff aufholen zu können. Nach dem Abi peilt der Wassenberger ein Studium der Chemie in Jena an, wo er mit seiner Freundin leben möchte. "Jetzt habe ich ja die Möglichkeit, unabhängig zu leben, was vorher nicht möglich war, da ich rund um die Uhr auf Pflege und Hilfe angewiesen war."

(RP)
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